1. Hell awaits
2. Kill again
3. At dawn they sleep
4. Praise of death
5. Necrophiliac
6. Crypts of eternity
7. Hardening of the arteries
Atmosphäre ist für mich DAS Thema in meiner Arbeit als Autor. Wenn ich darüber nachdenke, wie man so etwas hinkriegt, muss ich, beim Thema Furcht, Angst und Schrecken automatisch an „Hell awaits“ denken. Warum, das versuche ich hier einmal in Worte zu fassen.
Psychotisch, krank, degeneriert, ein Album für „leichenfickende Irre“ (Zitat Wikipedia) – so oder so ähnlich lauten die Stellungnahmen zu Slayers zweitem Album, das 1985 als Nachfolger ihres sensationell erfolgreichen Debüts „Show no mercy“ erschien. Und es stimmt. Mögen Slayer in den 80ern vorher und hinterher eine wutschnaubende Thrash-Perle nach der anderen aufgenommen haben, unter diesen Geschwistern ist „Hell awaits“ immer noch der dunkle Zwilling. Es empfiehlt sich nur für hartgesottene Furcht-Fans, diesen sieben Songs in einsamen Hütten, dunklen Kellern, oder wo sich sonst dem Vernehmen nach Tore zur Hölle befinden, zu lauschen. Mit zunehmender Spielzeit überkommt einen das Gefühl, es könnte Wesenheiten anlocken, die selbst die gestandenen Monsterbändiger in Lovecrafts Geschichten schreiend in die Flucht jagen würden.
Dabei ist es eigentlich „nur“ Thrash-Metal. Rein musikalisch betrachtet. Doch drei Dinge machen es zu diesem dämonischen Relikt, das man sich gut auf dem Altar des örtlichen Satanisten vorstellen kann. Da ist erstens das Cover. Es mag in der Sammlung detailüberfluteter oder schwer definierbarer Cover von Slayer noch das sein, auf dem das Motiv am leichtesten zu erkennen ist. Menschen fallen den Höllenschlund hinab und werden von Dämonen gefoltert. Das zweite sind die Texte. Es läuft einem ein Schauer über den Rücken, wenn man sie mitliest. Sie sind nicht sehr poetisch, aber treffen eindeutig einen Nerv. Besonders wenn man den dritten Punkt hinzunimmt: Den Sound. Er ist schlecht, zumindest objektiv beurteilt und man fragt sich, wofür die Band und ihr Produzent das erste Budget, das ihnen zur Verfügung stand, eigentlich ausgegeben haben. Aber genau das passt. Denn was die Atmosphäre angeht, hätte er nicht besser sein können. Der Sound ist unheimlich, dämonisch, mächtig, hallend, einfach, als wäre er direkt in der Hölle aufgenommen worden.
Gehen wir also rein. Der Titelsong beginnt mit dem krächzenden Flüstern des rückwärts gespielten „Join us“ und dem monströsen Schrei „Welcome back“, bevor das Intro des Titelliedes die marschierenden Truppen der Hölle inthronisiert, stampfend, als wäre man nur eine dünne Wand von ihnen entfernt. Dann beginnt das Chaos. Die Welt im freien Fall, der auf dem Cover schon angedeutet ist, wird furchtsame Wirklichkeit. Irgendwann der harte Aufprall. Die Hölle ist da und wirklich, sie umgibt einen und hält einen gefangen. Das pure Grauen.
Nun gut, das Lied ist vorbei. Die dämonischen Truppen, die an den eigenen vier Wänden vorbeimarschieren, sind zunächst einmal verschwunden. Stattdessen schleicht nun mit „Kill again“ ein geisteskranker Mörder durch den Vorgarten, musikalisch umgesetzt mit einer Brutalität, die in den 80ern außer Slayer nur wenige zustande brachten. Zu ihm gesellen sich die Kreaturen, die jedem lebendigen Wesen das Blut aussaugen. „At dawn they sleep“ macht das mit seinem leicht progressiven Einschlag zu einem nahezu filmischen Erlebnis. Außerdem ist das für mich einer der genialsten Titel der Metal-Historie, so dass ich folgerichtig meinen ersten Roman so genannt habe, obwohl er von etwas ganz Anderem handelt. Diese Kreaturen suchen den Hörer heim, schleichend, kriechend, unaufhaltsam. So langsam wird’s eng im Vorgarten. Das Haus ist umzingelt.
Doch wie es bei einer Apokalypse nun einmal zugeht, ist nicht nur das eigene Heim betroffen. Die ganze Welt wird von Dämonen überrannt. Es gibt absolut kein Entkommen. „Praise of Death“ ballert diese brutale Erkenntnis in den Kopf. Für mich ist es dieser Song, der mich spätestens dazu bewegt, im Zimmer alles hell zu machen und mich mit dem Rücken zur Wand zu setzen. Paranoia, am eigenen Leib erfahren. Das schafft eigentlich nur dieses Album.
Derweil werden draußen mit „Necrophiliac“ die ersten Leichen geschändet. Die Brutalität reißt einfach nicht ab, auch nicht als der große Meister des Bösen durch die Lande streift und damit prahlt, dass er nicht nur den Weltuntergang herbeigerufen hat, sondern auch die „Crypts of eternity“ ausgeraubt und die Priester getötet hat. Spätestens jetzt steht fest: Dieses Album vertont nicht den Weltuntergang, es ist der Weltuntergang.
Nun, gegen Ende wird zumindest diese Szenerie aufgelöst und sich wieder in die Wirklichkeit begeben. Doch gute Nachrichten hat auch das letzte Lied „Hardening of the arteries“ nicht zu vermelden, denn es geht eigentlich nur darum, dass die Welt dem Untergang geweiht ist. Es endet mit dem Intro von „Hell awaits“. Also, es geht doch wieder los. Das war es. 37 Minuten, einmal Hölle und zurück und wieder hin.
Dass Slayer weltweit eigentlich erst für ihr Nachfolgewerk „Reign in blood“ gefeiert werden, ist sicher verständlich, denn damit haben sie sicher der Welt für alle Zeiten gezeigt, was Thrash Metal sein soll. „Hell awaits“ ist vielleicht für so einen Status etwas zu progressiv, zu verspielt. Aber es ist definitiv das Album, das in der Lage ist, einem die Angstschauer über den Rücken zu treiben und deswegen mein erklärter Liebling dieser großen Band. Würde es irgendwann einmal eine Liste mit den athmosphärischsten Alben geben, „Hell awaits“ wäre bei mir ganz vorne dabei.
(gepostet: 6.2.2018)