Kleinverlag oder Keinverlag? Erfahrungsbericht einer Hybridautorin

Foto: Gabriella Queen
Foto: Gabriella Queen

Ein Gastbeitrag von Gabriella Queen

 

Gabriella Queen ist das Pseudonym einer Berliner Autorin, Jahrgang 1987. Seit 2017 veröffentlicht sie Gay Romance mit Herz, Humor und dem gewissen Prickeln – sowohl bei Kleinverlagen als auch in Eigenregie. Außerdem ist sie eine Hälfte des Yotube-Autoren-Podcasts „Die Schreibnymphen“.

 

Homepage: https://gabriella-queen.de/

Die Schreibnymphen: https://twitter.com/schreibnymphen

 

Als ich mich 2015 zum ersten Mal ernsthaft mit dem Gedanken befasst habe, meine Geschichten zu veröffentlichen, war für mich klar, dass ich zu einem Verlag wollte. Selfpublishing kam nicht infrage, obwohl es damals schon groß auf dem Vormarsch war und eine Schreibfreundin davon schwärmte.

 

Ich hatte Angst, dass man mich als Autorin abstempeln würde, die wohl einfach nur „zu schlecht“ für einen Verlag war. Hinzu kam das große Nichtwissen. Lektorat? Korrektorat? Buchcover? Marketing? Keine Ahnung davon. Lass das lieber die Profis machen. Ich schickte frohgemut mein neustes Skript mitsamt Exposé und allem drum und dran an mehrere passende Kleinverlage. Die Freude war riesig, als ich einige Wochen später meinen ersten Verlagsvertrag unterschreiben konnte. Das Lektorat konnte ich kaum erwarten – zum ersten Mal mit echten Profis zusammenarbeiten – klasse!

 

Dann kam die Ernüchterung. Meine Lektorin war sehr freundlich und garantiert auch voll dabei ... aber die Anmerkungen hatten nichts mit dem zu tun, was ich mir vorgestellt hatte. Wo waren die Horden von Kritteleien am Ausdruck? Wo die gestrichenen Adjektive und Adverbien? Wo die Hinweise, hier oder dort genauer auf die Perspektive oder die Charakterstimme zu achten? Ich hatte kaum etwas zu tun. Hier und da ein Name statt eines Pronomens, damit der Leser nicht durcheinanderkommt. Hier und da der Vorschlag, zu lang geratene Sätze aufzuteilen. Natürlich war ein Teil von mir froh, dass mir kein hundertstündiger Überarbeitungsprozess bevorstand. Ein kleines, selbstverliebtes Stimmchen flüsterte mir sogar zu „Wer weiß, vielleicht bist du SO GUT, dass man gar nichts weiter anstreichen muss“ ... okay, jetzt lachen wir alle mal herzlich.

 

Nach dem Lektorat folgte das Korrektorat, dann die Festlegung eines Titels. Mein Arbeitstitel stieß nicht auf Zustimmung, also brainstormten wir. Da flogen so einige Mails hin und her und dieser ganze Vorgang dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Letztendlich segnete ich einen Titel ab, mit dem ich eigentlich nicht so richtig zufrieden war. Rückblickend natürlich mein eigener Fehler, weil Ungeduld kein guter Berater ist. Auch beim Cover durfte ich mitreden und dort wurde ein Ergebnis erzielt, das ich gut fand – generell war man die gesamte Zeit über darum bemüht, auf mich einzugehen. Der Kontakt war jederzeit freundlich und professionell. Dennoch war die Freude am Ende nicht mehr so groß wie am Anfang. Ich hatte es mir einfach anders vorgestellt.

 

Im Sommer 2017 schrieb ich dann einen weiteren Gay-Romance-Roman und legte meine Vorurteile bezüglich des Selfpublishings beiseite. Ich schrieb, ich überarbeitete und ich gab mein Skript einer freien Lektorin, die ich selbst auswählte. Was ich zurückbekam, entsprach viel stärker dem Bild, das ich von einem Profi-Lektorat hatte. Und ich war glücklich über das viele Rot! Dieses Mal hatte ich wirklich das Gefühl, etwas daraus zu lernen. Allein dafür lohnte sich der finanzielle Aufwand (der mir beim Verlag natürlich nicht entstanden war).

 

Der große Spaß begann, als ich mich um das Cover kümmern musste. Ich suchte nach Designern und verschickte Anfragen. Als ich dann die passende Künstlerin gefunden hatte, stellte ich fest, dass es einen Heidenspaß macht, direkt mit dem Designer zusammenzuarbeiten und Ideen zu besprechen. Das Ergebnis konnte (und kann) sich definitiv sehen lassen. Natürlich kostete es ein bisschen Zeit bis ich mit dem ganzen Veröffentlichungskram bei Amazon KDP klarkam, aber ich gelangte ohne größere Probleme zu der Stelle, wo der Mauszeiger zittrig über der Schaltfläche „Veröffentlichen“ schwebte.

 

Am 1. November 2018 erscheint mein fünfter Selfpublishing-Roman. Dem gegenüber stehen jetzt zwei Verlagsveröffentlichungen. Vermutlich werde ich das mit den Kleinverlagen nächstes Jahr ganz einstellen.

 

Natürlich ist Geld ein Faktor. Jeder, der vom Schreiben leben will, muss ein Auge darauf haben, dass für die harte Arbeit, die jedes Manuskript kostet, auch ein gewisser Betrag aufs Konto fließt. Beim Selfpublishing über Amazon erhalte ich Tantiemen in Höhe von 70% des Nettoverkaufspreises. Das ist logischerweise mehr, als irgendein Verlag der Welt mir bieten könnte. Natürlich fließt ein Teil davon wieder auf andere Konten, denn nun muss ich Coverdesign und Lektorat ja selbst bezahlen, aber das Tolle ist, dass ich auch selbst entscheide, wen ich anheuere, wo ich investiere und wie ich alles organisiere. Damit wird klar: Es geht auch um Freiheit.

 

Ein anderer sehr wichtiger Punkt ist folgender: Wer Geld mit Romanen verdienen möchte, der muss nicht nur schreiben, sondern auch veröffentlichen. Und zwar am besten öfter als ein Mal im Jahr. Besser öfter als zwei Mal. Besser sogar öfter als drei Mal. Der Buchmarkt ist ein hartes Geschäft und man kann nicht davon ausgehen, direkt einen Bestseller zu landen, der einem jeden Monat tausende von Euro in die Kasse spült. Da ich mich dem Schreiben rund um die Uhr widmen kann, habe ich die Zeit, fünf bis sechs Romane im Jahr zu schreiben, und genau das tue ich auch. Spätestens hier kommt der Schlips ins Rad, denn die wenigsten Verlage haben solche Kapazitäten für einen einzelnen Autor. Natürlich könnte ich versuchen, meine Projekte dann auf mehrere Verlage zu verteilen, aber mir macht das Selfpublishing inzwischen so viel Spaß, dass ich das gar nicht will.

 

Das Wort „Verlag“ wird immer noch von so einem ehrfurchtgebietenden Gongschlag begleitet, dabei kann im Grunde jeder einen Verlag gründen. Jeder kann sich Lektor nennen oder Coverdesigner. Es kann sich auch jeder Autor nennen. Über gut oder schlecht sagt das nichts aus. Es kommt in jedem Fall auf die einzelne Person an. Das sind alles nur normale Menschen. Ein Lektor, den du von einem Verlag zugeteilt bekommst, muss nicht zwangsweise besser sein, als ein freier Lektor, den du über Twitter entdeckt hast und der vielleicht noch keine ellenlange Liste von Referenzen hat. Das Wort „Verlags-“ vor irgendeinem Substantiv erhöht nicht automatisch die Qualität.

 

Kommen wir also zurück zu der Frage. Was ist besser – ein Kleinverlag oder Selfpublishing? Leider kann ich hier nur die wenig beliebte Antwort „Kommt drauf an“ geben. Worauf kommt es denn an?

 

Meiner Meinung nach darauf, was man selbst für Ziele hat und mit welchen Voraussetzungen man an die Sache herangeht. Wer seinen Lebenstraum vom gedruckten Buch wahrmachen will, ohne gleich seine ganze berufliche Zukunft darauf zu stützen, dem würde ich nach wie vor zu einem Verlag raten. Es gibt viel zu lernen und auch Selbstbewusstsein ist ein wichtiger Punkt – mit beidem kann einem die Verlagsveröffentlichung helfen und das ganz ohne finanzielles Risiko. Außerdem kommt man mit Autorenkollegen in Kontakt und vielleicht trifft man ja auch auf Anhieb ein Team, bei dem alles passt. Wunderbar!

 

Das Wichtigste ist, dass man sich wohlfühlt.

 

Und falls man feststellt, dass das Herz danach doch sagt ‚Man, das wäre vielleicht besser geworden, wenn ich selbst Regie geführt hätte‘ dann sollte man sich nicht davon abhalten lassen, dass das Wort "Selfpublishing" nicht von einem Gongschlag begleitet wird ;)

 

Vielen Dank, Gabriella, für diesen schönen Erfahrungsbericht aus den beiden Welten des Veröffentlichens. Er entstand aus einem Gespräch, das wir über dieses Thema geführt haben und ich möchte mich auch bei meiner Kollegin Luisa Prusseit bedanken, die mir bei der Suche nach einer so netten und kompententen Hybridautorin geholfen hat. (gepostet: 16.10.2018)