It comes at night (Filmstart: 18.1.2018)

Quelle: www.blue-ray.com
Quelle: www.blue-ray.com

**** Achtung Spoiler, aber geht nicht anders, um das Rätsel dieses Films zu lösen ****

 

Wow, selten hat ein Film so sehr mit Erwartungen gespielt wie „It comes at night“. Beim ersten Trailer dachte ich noch, wir haben es hier mit klassischem Home-Invasion-Horror á la „The Purge“ oder dem genialen „Don’t breath“ zu tun. Was sollte es auch sonst sein, wenn es um ein paar Menschen geht, die in einer einsamen Hütte im Wald hausen und nachts die Türen verschlossen halten? Beim zweiten Trailer hatte ich schon mehr den Eindruck, es handle sich eher um einen Psychothriller mit Horror-Elementen, wie z. B. „Shining“ oder „Get out“, in dem der Wahn der Protagonisten einher geht mit einer unheimlichen Entität, die sie permanent bedroht. Doch beide Varianten stimmen nicht mit dem tatsächlichen Gehalt des Films überein.

 

Nun muss das mit dem Spoilern sein, da die Inhaltsangaben des Films in Ankündigungen und auch bei Wikipedia aus meiner Sicht zu Irritationen führen, denn es ist eigentlich schon zu viel in die Handlung hineininterpretiert. Da ist vom Untergang der Zivilisation und einer postapokalyptischen Welt die Rede. Mag sein, aber in Wahrheit erzählt dieser Film nichts von alledem (die offizielle Homepage spricht nur von "unnamed cataklysm", also einer "unbezeichneten Katastrophe"). Die Handlung könnte genauso gut in einem abgelegenen Teil Kanadas spielen. Auch das Etwas, weswegen die Protagonisten sich nachts nicht aus dem Haus trauen, wird im ganzen Film nie genau expliziert. Deswegen versuch ich nun einmal die Handlung zu skizzieren, wie sie der Film wiedergibt, ohne irgendwelche Interpretationen, was echt schwer fällt.

 

Der Familienvater Paul und sein Sohn Travis bringen den mit Ekzemen überdeckten Großvater Bud mit einer Schubkarre in den Wald, erschießen ihn und verbrennen den Leichnam. Die Mutter Sarah und ihr Sohn, dessen einziger Freund nun noch sein Hund Stanley ist, sind niedergeschlagen ob dieser Maßnahme, während der Vater immer wieder die Notwendigkeit dieses brutalen Aktes betont. Nachts entdecken sie einen Eindringling in ihrem einsamen, verbarikadierten Haus, in dem der einzige Ausgang eine rote Tür zu einer Art Quarantäne-Schleuse ist. Paul schlägt ihn nieder und bindet ihn an einen Baum, wo der Fremde die ganze Nacht schreit, bis der Vater ihn am nächsten Morgen befragt und von ihm erfährt, dass er Will heißt und auf der Suche nach Wasser für seine Frau Kim und seinen kleinen Sohn Andrew ist. Paul fährt mit ihm zu seinem Domizil. Auf dem Weg werden sie von zwei Fremden beschossen. Will prügelt sich mit einem von den beiden und ist schockiert, als Paul die Männer, scheinbar ohne Skrupel, erschießt. Trotzdem findet seine Familie nun Schutz in Pauls Haus und es scheint, als würden sie sich gut verstehen. Der von Alpträumen von einer Seuche geplagte Travis scheint sich sogar in Wills Frau Kim zu verlieben, bis eines Tages sein Hund Stanley sich losreißt und im Wald verschwindet. In der Nacht darauf findet Travis den kleinen Andrew vor dem ehemaligen Bett seines Großvaters liegen, bringt ihn zu seinen Eltern und sieht, dass die rote Tür offensteht. Er alarmiert seinen Vater und sie finden den Hund vor der Türe liegen, der augenscheinlich schwer krank ist. So erschießen sie auch ihn und verbrennen den Kadaver noch in der gleichen Nacht. Da niemand weiß, wieso die rote Tür, zu der nur Paul und seine Frau einen Schlüssel haben, offen stand, beschließt Paul, dass sich die Familien für ein paar Tage getrennt in ihren Zimmern einschließen sollen. Als er mitbekommt, dass Will, Kim und der kleine Andrew das Haus verlassen wollen, stellt er sie zur Rede. Es kommt zu einem Kampf, in dem Sarah den Vater Will, Paul seine Frau Kim und ihren kleinen Sohn erschießt. Zurück im Haus bemerken sie, dass ihr Sohn Travis Ekzeme am Körper hat. In der letzten Szene sitzen Vater und Mutter wie paralysiert am Tisch, nachdem sie auch ihren Sohn erschossen haben.

 

Das ist die Handlung, so wie der Film sie zeigt. Ich kann mir vorstellen, dass etliche Zuschauer das Kino eher enttäuscht verlassen haben, weil der Film eben nicht den oben genannten Genres zuzuordnen ist. Fakt ist, dass die Handlung in nur einem einzigen Punkt wirklich und ganz sicher real zu sein scheint, nämlich, was die Toten angeht. Paul erschießt den Großvater, die beiden Männer im Wald, Kim und den kleinen Andrew, während Sarah Will umbringt. Alles andere ist Interpretation. Selbst die Seuche muss dazugezählt werden, da keiner der Fremden im Haus sich mit ihr infiziert, lediglich der Großvater Bud und schließlich der Sohn Travis haben die Symptome. Die Fremden kommen lediglich ins Haus, weil sie Probleme mit der Wasserversorgung haben und unterwerfen sich ohne weitere Fragen den Quarantäne-Regeln. Und genau das macht den Film so interessant! Der Titel „It comes at night“ steht nicht für irgendeine äußere Bedrohung, sondern für einen Satz, in dem sich die Grundängste vieler Menschen manifestieren. Vom reinen Ergebnis her betrachtet ist der Protagonist Paul ein irrer Mörder, dessen Angst vor einer Seuche und etwas, das angeblich im Wald ist, ihn dazu bringt, insgesamt sechs Menschen, inklusive seines eigenen Sohnes, umzubringen. Alles andere mag real sein, könnte aber genauso gut zu Pauls Paranoia gehören. Der Film löst es nicht auf. Vielleicht hätte eine Szene am Ende, in der die Polizei die andere Familie als Vermisste sucht hier zu einem schönen Wendepunkt beigetragen, aber das sah der Regisseur und Drehbuchautor Trey Edward Shults wohl nicht vor.

 

Somit ist, wie im zweiten Trailer auch angekündigt, Paranoia das eigentliche Thema des Films. Sicher lohnt es sich, ihn ein zweites Mal zu schauen, um genau festzustellen, wie es dargestellt und umgesetzt ist. Denn der Zuschauer wird in den Wahn der Hauptfiguren mit hineingezogen, glaubt ihnen und fühlt sich am Ende sogar ein wenig verschaukelt, weil er die ganze Zeit mit ihnen gefiebert und all die Morde für völlig nachvollziehbar gehalten hat. Dieser Film macht etwas mit dem Zuschauer, das auch nach dem Kinobesuch noch nachhallt. Das macht ihn vielleicht nicht unbedingt zu einem Meisterwerk, aber interessant und faszinierend genug, um ihn der Masse an Horrorthrillern ob seiner Intelligenz vorzuziehen. (gepostet: 22.1.2018)