Death Wish (Filmstart: 8.3.2018)

Diesen Handschuh nehme ich gerne einmal auf: „Es ist traurig, Bruce Willis in diesem unwürdigen Machwerk zu sehen“ – titelte die Zeitung „Die Welt“ vorgestern über den Film „Death Wish“, besonders angesichts der jüngsten Amokläufe in den USA. „Da ist nicht ein Hauch von einem Fragezeichen hinter der proklamierten Selbstjustiz“ heißt es weiter. Der Film wirke wie „der feuchte Traum amerikanischer Waffenlobbyisten“ und Eli Roth wird beschrieben als der „Regisseur, der bislang vor allem durch extrem krude Horrorfilme aufgefallen ist (Hostel, Hostel 2)“. Diesen Verriss in einer Zeitung, die als Teil des Axel-Springer-Imperiums über jeden Lobby-Verdacht völlig erhaben ist, möchte ich doch gerne einmal mit dem Film in Abgleich bringen.

 

Der Film ist ein Remake von „Ein Mann sieht rot“ (1974) mit Charles Bronson. Die Story ist schnell erzählt. Die Familie des Chirurgen Paul Kersey (Bruce Willis) wird Opfer von skrupellosen Einbrechern und nachdem die Polizei nicht im Stande ist, die Täter aufzuspüren, nimmt der Familienvater, ausgestattet mit einigen Schusswaffen, das Recht selbst in die Hand. Dass dies keine Verfilmung eines intellektuellen Entwicklungsromans ist, sollte jedem klar sein. Muss es deswegen gleich ein „unwürdiges Machwerk“ sein?

 

Im Vergleich zu „Hostel“ mutet „Death Wish“ nahezu freundlich an. Bruce Willis, bei dem man in anderen Filmen häufiger den Eindruck bekommt, er würde immer nur für einen Gesichtsausdruck bezahlt, spielt den glücklichen und dann an seiner eigenen Hilflosigkeit beinahe zerbrechenden Familienvater durchaus gekonnt. Gerade am Anfang scheint die Idylle perfekt und Paul Kersey wird gar als eine Figur etabliert, die Gewalt als ungerechtfertigtes Mittel der Auseinandersetzung betrachtet. Das „Fragezeichen“, das die Autorin des Verrisses so vermisst, liegt in seiner Doppelfunktion als „Retter“, als Chirurg im Operationssaal und als Kapuzenmann auf der Straße. Wer diese Parallelität, die den ganzen Film durchzieht, aufmerksam verfolgt, wird ganz andere Themen des Films erkennen, als lediglich das der Selbstjustiz. Was ist ein Arzt, der einem Menschen das Leben rettet, der dann später wiederum einen anderen erschießt? Oder umgekehrt: Worin liegt der Unterschied, ein Leben auf dem Operationstisch zu retten und eines, indem man einen Anderen erschießt? In dieser seltsamen Verkettung seiner Arbeit mit seinen nächtlichen Streifzügen findet Kersey offenbar seinen Frieden.   

 

Das Motiv des „Lebensretters“ ist sehr präsent in dieser Figur. Zu Beginn bemüht er sich vergeblich um die Rettung eines angeschossenen Polizisten. Anschließend führt er mit dessen Kollegen ein tröstendes Gespräch und bricht dies ab mit dem Hinweis, er müsse wieder in den Operationssaal. Der Polizist fragt ihn empört, ob er nun das Leben desjenigen retten werde, der seinen Partner erschossen hat, und Kersey antwortet nur: „Wenn ich kann!“. Nach dem selbstgerechten Charakter eines gewöhnlichen Vigilanten klingt das nicht.

 

Ich finde das als thematischen Ansatz sehr interessant, aber da müsste wohl schon Stanley Kubrik aus dem Grab auferstehen und diesen Film drehen, damit es gerechtfertigt ist, dies zu vertiefen. Eli Roth war wohl mit seinen Figuren in „Death Wish“ zu gutmütig, um qualitativen Anspruch für sich zu reklamieren. Offenbar hatte D-Fense bzw. Michael Douglas in „Falling Down“ lediglich das Glück, am Ende erschossen zu werden, denn ansonsten wäre dieser geniale Film den meisten Kritikern zu wenig aussagekräftig in seiner Botschaft gewesen. Man darf gewiss behaupten, dass der Film das Potential seiner Thematik nicht in Gänze ausschöpft. Für einen derartig begründeten Verriss wie in der Welt ist das aber aus meiner Sicht nicht genug.

 

Bleibt zu bemerken, dass wir es bei „Death Wish“ mit einem unterhaltsamen Film ohne fühlbare Längen zu tun haben, in dem Roth die Markenzeichen, für die er mit „Hostel“ bekannt geworden ist, ab und zu aufblitzen lässt. Sogar der Humor kommt an manchen Stellen nicht zu kurz. Ich würde ihn den Menschen als Alternativprogramm empfehlen, die es offensichtlich nicht lassen können, sich Reportagen über Amokläufe reinzuziehen, dabei in Trauer zu versinken und sich unter ständigem Ausfluss anklagender Reden den moralischen Zeigefinger in die Nase zu stecken. Denn die Welt wird nicht besser, indem wir ständig das Elend anprangern. Ab und zu muss man auch mal, trotz ernster Aspekte der Thematik, ein wenig Spaß haben.  (gepostet: 11.3.2018)