Während Late Night Shows aus meiner Sicht in Deutschland ein Format der Vergangenheit sind (auch wenn Sender das nicht immer einsehen wollen), ist in deren Mutterland USA die Begeisterung offenbar ungebrochen. Zumindest sind diese Sendungen so präsent, dass ein Filmemacher den Star einer solchen Late-Night-Show zum Hauptdarsteller kürt und sogar mit der zweifachen Oskargewinnerin Emma Thompson besetzt. An ihrer Seite spielt die nicht minder vielseitige Mindy Kalling, die auch das Drehbuch schrieb, ihre schüchterne und gebeutelte Autorin Molly. Der Trailer verhieß einen lustigen Film, also dachte ich, am Tag nach den fast 6 Stunden ES-Doublefeature ist das doch einer zum Runterkommen.
Katherine hat seit 30 Jahren ihre eigene Talkshow und damit etliche Maßstäbe gesetzt. Doch mit Mitte 50 ist sie inzwischen zu stolz, um sich neuen Themen und Gästen zu öffnen. Erst als sie abgesetzt werden soll und selbst ihr Mann ihr sagt, dass die Show seit Jahren schlecht ist, handelt sie. Sie setzt ihre Autoren, für die sie sich eigentlich nie interessiert hat, unter Druck, ihre Show wieder ans Laufen zu bringen. Dies geschieht am ersten Arbeitstag der neuen Autorin Molly, die ein Riesenfan der Show ist. Und prompt gerät sie ins Kreuzfeuer von Katherines massiver Persönlichkeit, die aber auch bald merkt, dass sie sich ändern muss, um im Showgeschäft zu überleben. Nur, wer sagt es ihr?
Das Interessante an diesem Film ist, dass es schwer fällt, ein richtiges Thema zu benennen. Dies ist allerdings kein Makel. Die Figur der Katherine ist so breit inszeniert und zugleich so gut dargestellt, dass sie es schafft, einige Persönlichkeits-, Zeit- und Gesellschaftsphänomene auf sich zu vereinen. Da wäre ihre Unerbittlichkeit gegenüber sich und anderen. „Sei nett zu den Leuten auf deinem Weg nach oben, Du wirst ihnen beim Weg nach unten wieder begegnen“, soll Ozzy Osbourne einmal gesagt haben. Genau diesen Rat hat die Moderatorin jahrelang mit Füßen getreten. Dann ist da die Frage, ob sie mit Mitte 50 Twitterwitze reissen und sich Youtuber ins Studio einladen soll, um mit der Zeit zu gehen. Aber auch das Thema des Sich-selbst- und Anderen-Verzeihen ist sehr präsent in diesem Film. Sicherlich wird man noch mehr finden, allen Aspekten gemeinsam ist: Sie schaffen in der Summe einen sehr einfühlsamen und durchaus vielschichtigeren Film, als die Ankündigungen es vielleicht erwarten lassen. Der Witz kommt natürlich nicht zu kurz, aber das Genre ist mit „Tragikomödie“ sehr gut bezeichnet. Für mein Empfinden hat die Geschichte auch kaum wirklich kitschige Momente. Dafür gibt es hinterher doch einiges zum Reflektieren und Nachdenken, natürlich nur für die, die das auch wollen.
„Late Night“ ist alles in allem ein guter Film, solide als Komödie, vielschichtig in seinen tragischen Momenten und somit insgesamt sehr schön anzusehen. Dass ich nicht noch begeisterter davon berichte, obwohl er es vielleicht sogar verdient hat, liegt daran, dass ihm vielleicht so ein wenig das wirklich spektakuläre Moment fehlt. Ich meine eine Szene wie die, in der Bill Murray als Scrooge dem Tod begegnet und um sein Leben fürchtet, um dann eine wunderbare und herrlich weihnachtliche Rede zu halten (Siehe: "Die Geister, die ich rief"). Es ist ein wenig kitschig, ja, aber nach 90 Minuten Film hat man das auch irgendwie verdient. In dieser Hinsicht bleibt „Late Night“ zurückhaltend und bescheiden und vielleicht gefällt das sogar vielen Leuten besser als mir. Ich möchte auf jeden Fall zusichern, dass es die wenigsten Interessierten bereuen werden, sich diesen Film angesehen zu haben. (gepostet: 10.9.2019)