In den letzten Jahren waren sowohl Monster- als auch Home-Invasion-Filme regelmäßig auf der Kinoleinwand zu sehen. Man nehme nur „Godzilla“, Meg oder Rampage auf der einen, „Don’t breath“, Breaking in oder „Wolves at the door“ auf der anderen Seite. Vielleicht war eine Fusion dieser beiden Genres daher nur folgerichtig. Aber wo lässt man so etwas spielen? Natürlich in Florida, natürlich während der Hurricane-Saison und natürlich sind die Monster Alligatoren. Darüber ließ schon der Trailer von „Crawl“ keinen Zweifel aufkommen. Aus der Neugier heraus, was denn passieren wird, braucht man sich so einen Film daher nicht anschauen. Dennoch üben diese wohl gefährlichsten Amphibien unseres Planeten eine ungebrochene Faszination aus, gewissermaßen die weißen Haie der stehenden Gewässer, und so könnten sich viele Gänsehautfreunde durchaus im Kinosaal einfinden, um den Biestern Auge in Auge gegenüberzustehen. Muss der Film halt nur noch gut inszeniert sein. So fanden die Besucher am letzten Freitag zu einer Vorpremiere doch einen gut gefüllten Kinosaal vor, um mehr über die Geschichte zu erfahren.
Hayli Keller (Kaya Scodelario) ist Leistungsschwimmerin und hadert mit sich und ihrem Vater Dave (Barry Pepper), der sie seit ihrer Kindheit stets zum Spitzensport angetrieben hat. Obwohl sie seit Jahren im Streit liegen, fährt sie während einer Hurricane-Warnung zu ihrem alten Elternhaus, weil er nicht ans Telefon geht. Dort muss sie feststellen, dass er schwer verletzt unter dem Haus liegt und erst als es zu spät ist, sieht sie auch den Grund dafür. Ein Alligator versperrt ihnen den Ausgang. Das Wasser läuft unerbittlich in den Keller und Hayli und ihr Vater müssen einen Weg nach draußen finden. Doch der Hurricane reißt nicht ab und die Situation droht schnell vollkommen aussichtslos zu werden.
Die Handlung wird, wie gesagt, niemanden sonderlich überraschen. Dennoch haben es Autoren und Regisseur geschafft, einen durchaus nervenaufreibenden Film zu schaffen. Natürlich spielt das komplizierte, in jahrelangem Schweigen erstarrte Verhältnis zwischen Vater und Tochter eine Rolle. Aber in erster Linie zieht der Film seine Spannung aus der Macht der Elemente und der Natur, die über die beiden hereinbricht. Zu Land, im feuchten Keller, haben sie sogar noch einen Standortvorteil gegenüber den furchteinflößenden Reptilien, kommt erst einmal das Wasser, müssen sie umso mehr um ihr Überleben fürchten. Fast laut- und ebenso erbarmungslos greifen die Alligatoren an. Rettung scheint immer wieder nahe, doch die Natur hat eben ihre eigenen Gesetze. Dies bringt auch den interessanten Aspekt dieses Films, dass die Monster nicht als Subjekte brutal und blutdurstig erscheinen. Sie kommen mit der Flut und die ist eben ein Naturereignis. Sie breiten sich aus, wie der Mensch sich ausgebreitet hat, und tun nichts anderes, als das, was sie sonst auch tun: jagen und fressen.
Ich will in diesen Umstand nicht zu viel interpretieren. Es soll mehr die gesamte Atmosphäre des Films beschreiben und die Quelle, aus der er seine Spannung und seine Dramatik bezieht. Denn „Crawl“, eindeutig ein doppeldeutiger Titel, weil die Alligatoren kriechen und die Menschen kriechen müssen, ist ein gelungener Thriller, der in seinen gerade einmal 88 Minuten den Zuschauer keinen Moment loslässt. Viel Spannung, ein paar Schockeffekte und ebenso ein wenig Home-Invasion-Atmosphäre machen aus dem Film ein exzellentes Feierabendbier: Nicht neu, aber immer wieder lecker. Ich finde die Zuordnung zum Horror-Genre ein wenig deplatziert, aber darüber lässt sich immer vortrefflich streiten. Freunde gepflegter Schocker, die einen unterhaltsamen Kinoabend suchen, werden den Besuch dieses Films sicher nicht bereuen. Der Rest wird sich überlegen, ob Florida wirklich ein so traumhafter Ort zum Wohnen ist, wie sie vorher gedacht haben. (gepostet: 17.8.2019)