Ungefähr fünf Monate nach dem Start des letzten Star-Wars-Films und auf den Tag genau 41 Jahre nach dem ersten erleben wir heute den Beginn einer alten Ära. „Solo – A Star Wars Story“ kommt in die Kinos. Der mit Sicherheit größte Nicht-Jedi-Pilot der Galaxis, dessen Leben wir spätestens seit seiner ersten Begegnung mit Luke Skywalker ziemlich genau kennen, bekommt seinen eigenen Film, um endlich seine Vorvergangenheit zu enthüllen. Und tatsächlich gibt es noch viele offene Fragen. Wir alle erinnern uns noch, wie er in „Die neue Hoffnung“ Luke und den Zuschauer versucht, von der Leistungsfähigkeit des Millennium Falken zu überzeugen, in dem er sagt: „Mein Schiff schaffte den Korsalflug in weniger als 12 Parsecs“. Wow, toll! Und was zur Hölle ist ein Parsec?
Diese und noch einige andere Geheimnisse um Han Solo möchte der Film lüften: Ist das überhaupt sein richtiger Name? Wie kam er genau an den Millennium Falken? Wie lernten er und Chewbacca sich eigentlich kennen? Hätte er wissen können, dass sein alter Freund Lando ihn in „Das Imperium schlägt zurück“ verraten wird? Und, genau, was zur Hölle ist ein Parsec? Einige Kritiker in Deutschland wetzen schon einmal die Messer, der Film sei eine „richtig schlechte Idee“ (Spiegel Online), „fad und vorhersehbar“ (Süddeutsche Zeitung) und „ohne metaphysischen Überbau“ (Die Welt). Tja, liebe Diseny-Studios, lieber Ron Howard, hättet Ihr doch mal besser die Buddenbrooks verfilmt! International sieht man das schon ein wenig anders und gestern in der Vorpremiere im UCI Duisburg konnte ich mir selbst ein Bild machen.
In der Chronologie der Reihe ist der Film circa zehn Jahre nach „Die Rache der Syth“, also noch vor „Rogue One“ angesiedelt. Unter dem Dach des Imperiums wird die Galaxis von Verbrechersyndikaten beherrscht, die einen Großteil der Bevölkerung im Kampf um Rohstoffe für ihre Zwecke versklaven. Der begehrteste Rohstoff ist das Coaxium, das für das Reisen mit Lichtgeschwindigkeit benötigt wird und um das sich die meisten Kämpfe drehen. Auf seinem Heimatplaneten Corellia arbeitet der junge Han Solo (Alden Ehrenreich) für das Syndikat White Worms und träumt gleichzeitig davon, mit seiner Freundin Qi’ra (Emilia Clarke) von dort zu entfliehen, um als Pilot die Galaxis zu bereisen. Die Flucht gelingt ihm, allerdings muss er Qi’ra zurücklassen. So meldet er sich freiwillig als Pilot beim Imperium und schwört, die Geliebte möglichst schnell von dem Planeten zu befreien. Dafür braucht er ein Schiff. Um das bezahlen zu können, desertiert er und schließt sich dem Schmuggler Tobias Beckett (Woody Harrelson) an, der für das größte Syndikat Crimson Dawn einen wichtigen Auftrag zu erfüllen hat.
Lassen wir es erst einmal dabei. Zwar kann man bei Wikipedia bereits die ganze Geschichte lesen, aber wer will das schon, bevor er den Film gesehen hat? Vielmehr interessiert doch, was der Film innerhalb der Star-Wars-Saga für einen Stellenwert einnimmt und was wir erfahren, das mehr Aufschluss über die Handlung der übrigen Teile geben kann.
Zunächst: Die oben gestellten Fragen werden alle beantwortet. Aber das Wichtigste ist: Der Film behandelt einen Teil der Galaxis, der bislang, da es an allen anderen Teilen oft um Herrschaft, Macht, die Republik, das Imperium und die Rebellen ging, nicht so recht berücksichtigt wurde. Die Welt des Han Solo, aus der er später in die Dienste der Aufständischen tritt, ist eine Welt voller Möglichkeiten und Gefahren. Sie besteht größtenteils aus Schurken. Ständig steht man in der Schuld von irgendeinem Gangsterboss und in dem Versuch, die eine Schuld zu begleichen, lädt man gleichzeitig eine andere auf sich. In dieser Welt begegnen wir vielen alten Bekannten, Monstern, Druiden und anderen Wesen, die auch schon als Hintergrund für Szenen der früheren Teile gedient haben. Außerdem lernen wir endlich einmal, wie es ist, dem Imperium als Soldat zu dienen, ein sehr Empathie förderndes Erlebnis, das im Film den Schützengräben des Ersten Weltkriegs gleicht. Fiese Gangsterbosse, verschlagene Helfershelfer, dunkle Weltraumbars, höllische Arbeiterminen, finstere, übermächtige Monster in den Tiefen des Weltraums, Han Solo kennt das alles schon, lange bevor er sich dem Widerstand anschließt. Das macht der Film deutlich. In dieser Welt ist es so, wie Solos verkappter Lehrmeister Tobias Beckett es sagt: Man darf wirklich niemandem trauen.
Was wir hier zu Gesicht bekommen, ist die Ursuppe der Rebellion, die wirkliche Schattenseite der imperialen Herrschaft über die Galaxis. Mit Liebe zum Detail wird die Figur des Han Solo in dieser Unterwelt geboren und wir verstehen gleichzeitig, dass die Rebellion nicht einfach der Aufstand einer Horde von Bewohnern der Galaxis ist, die sich ungerecht behandelt fühlen. Im Vordergrund steht die Handlung als eine Art Gaunergeschichte, die dank des strahlenden Ritters Solo, der ja nicht sterben darf, weniger finster ausfällt, als Rogue One und Die letzten Jedi, in denen es ja immer ordentlich auf die Fresse gibt für die Protagonisten. Vielleicht kommen daher die Kommentare, der Handlung sei flach und vorhersehbar. Aber das alles spielt sich ab in den finstersten Jahren der imperialen Herrschaft, in denen es niemanden gibt, der für die Schwachen eintritt und „neue Hoffnung“ verspricht. So steht Solo auch beispielhaft für einen ganz normalen Bewohner der Galaxis, der sich keinen hohen Idealen verschreibt, sondern einfach nur seinen Träumen hinterherjagt, mehr zufällig mit der Frage nach Gut und Böse, nach Falsch und Richtig, konfrontiert wird und instinktiv handelt. Daher muss jeder, der den Film richtig einordnen will, die Handlung auch einmal an sich vorbeirauschen lassen und mehr auf den Hintergrund achten, vor dem sich das alles abspielt. Tut man das, so reicht vielleicht sogar ein simpler Dialog zwischen Qi’ra und Solo, um das eigentlich Leitmotiv der Figur Solo, auch im weiteren Verlauf der Handlung, zu verstehen:
„Ich weiß, wer du bist!“ – „Und wer bin ich?“ – „Du bist der Gute!“ – „Nein, das bin ich nicht!“
So ist „Solo“ ein Spin-Off, das seine Bezüge zum großen Ganzen nicht immer auf dem Präsentierteller serviert. Umso mehr schließt er eine Lücke, die bislang in der Erzählung klaffte, die der Schilderung des wahren Lebens unter der Herrschaft des Imperiums. Als solcher hat der Film nicht nur seine Berechtigung, ich würde sogar sagen, dass er für weniger eingefleischte Fans der unterhaltsamste aller bisherigen sein könnte. Denn die Handlung ist auf Action und Abenteuer ausgelegt, die Bilder sind streckenweise durchaus beeindruckend und die Figur des Solo erschließt sich in seinem Kontext, auch wenn man die anderen Filme mit ihm nicht so präsent hat. Für mich, der den gleichen Geburtsjahrgang hat wie die ganze Saga, und sich in seiner Kindheit Jedi-Schwerter aus Lego gebaut hat, ist der Film auf jeden Fall absolut sehenswert. Ich will einfach immer mehr davon! (gepostet: 24.5.2018)