Doctor Sleeps Erwachen (Start: 21.11.19)

Quelle: www.filmstarts.de
Quelle: www.filmstarts.de

Unter Filmkennern gilt Stanley Kubriks „Shining“ gemeinhin als Meisterwerk und Meilenstein des Horror-Genres. Jack Nicholson war nie böser, sein Konterfei, das durch die mit der Axt zerstörte Tür giert, ist ein Bild von popikonographischem Wert. Der Roman zementierte Ende der 70er Jahre Kings Status als Bestseller-Autor und insgesamt kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass er zusammen mit „ES“ und „Friedhof der Kuscheltiere“ zu den berühmtesten Werken des Autors und des Genres gehört. Wie der kleine Danny Torrence nach der Flucht mit seiner Mutter aus dem spukenden Overlook-Hotel weiterlebte, verriet uns King bereits 2013 in seinem Roman „Dr. Sleep“. Die Verfilmung kommt jetzt in die Kinos und hat, wie uns der Trailer schon nahe legte, nicht nur den Anspruch einer ambitionierten Romanadaption sondern auch der Würdigung eines Horrorfilmklassikers. Ob das gutgeht?

 

Danny Torrence (Ewan McGregor) ist am Boden: Mitte 20, Alkoholiker ohne richtige Bleibe, Bars und fremde Betten sind sein Zuhause. Als Kind hat er noch lange unter den Geistern gelitten, die ihn im Hotel verfolgten, aber mittlerweile gelernt, sie in seinem Kopf so zu verschließen, dass sie ihn nicht mehr heimsuchen können. Eines Tages begegnet er Billy Freeman (Cliff Curtis), der ihm einen kleinen Job verschafft und ihn zu den Anonymen Alkoholikern bringt. Daraufhin bessert sich sein Leben und schließlich arbeitet er als Krankenpfleger. Besonders zeichnet ihn aus, dass er durch sein Shining Menschen den Übergang vom Leben in den Tod erleichtert, was ihm den Spitznamen „Doctor Sleep“ einbringt. Eines Tages nimmt das Mädchen Abra Stone (Kyliegh Curran) über eine Kreidetafel telepathischen Kontakt mit ihm auf. Über sie erfährt er, dass eine Gruppe namens „der wahre Knoten“ Kinder entführt und bestialisch umbringt. Abra bittet ihn um Hilfe, denn sie schwebt wegen ihres „Shining“ in höchster Gefahr.

 

Der Film hat wirklich eine Menge zu leisten. Zum einen hat die Romanvorlage insgesamt gute Kritiken bekommen, was für die Adaption auf der Leinwand Segen und Fluch bedeutet: Aufmerksamkeit, aber auch hohe Erwartungen. Darüber hinaus muss er fast schon Bezüge zu Kubriks Film herstellen, ihn würdigen, ohne ihm fast 30 Jahre später noch etwas von seinem Geist zu nehmen. All das ist eine große Bürde und vor diesem Hintergrund schlägt sich „Doctor Sleeps Erwachen“ gut. Dem psychotischen Horrortrip des Vorgängers setzt er eine Geschichte um Kindheit und Kindesmissbrauch entgegen, die schockierende Momente hat, ohne im Ganzen wirklich Horror zu sein. Einigen Geistern aus dem Hotel begegnet man wieder, aber das Hauptaugenmerk liegt über weite Strecken auf der durchaus guten Geschichte. Ewan McGregor, der ja schon Winnie the Poohs Menschenfreund Christopher Robin als Erwachsenen verkörperte, schafft es, das Kind im Mann immer wieder durchscheinen zu lassen und hat gerade zu Beginn auch einige Momente, in denen er auf alte „Trainspotting“-Qualitäten zurückgreifen kann. Am Ende weicht der Film vom Roman ein wenig ab, indem er den großen Showdown tatsächlich ins alte Overlook-Hotel verlegt. Das war zu erwarten und hier finden sich eben auch die wirklichen Bezüge zu Kubrik. Auch diese Würdigung ist größtenteils gelungen.

 

Am Ende des Films kann man sagen: Er ist kein zweites Meisterwerk geworden, was auch nicht zu erwarten war. Auch ist er nicht so spektakulär und eindringlich wie „ES“, hält aber die Balance zwischen einer Horrorgeschichte und einem sehr ernsten Gesellschaftsthema einigermaßen gut und fährt die Story nicht ins Lächerliche wie bei der jüngsten Verfilmung von „Friedhof der Kuscheltiere“. Im Ganzen mehr Thriller als Horrorfilm weiß er seine respektable Länge von 152 Minuten gut auszunutzen. Und wer ein Hauch von Shining noch einmal im Kino genießen will, ist hier allemal gut bedient. (gepostet: 27.11.2019)