Wer die Verleihung der Golden Globes ein wenig verfolgt, kennt den Titel dieses Films längst: Bester Film, bestes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin, bester Nebendarsteller, Gewinner in allen vier Kategorien. Auch in anderen Wettbewerben hagelte es Nominierungen und in den Kritiken ist ebenfalls mehrheitlich überschwängliches Lob zu hören. Ein ganz schönes Päckchen für einen Film mit einem, zugegeben, recht sperrigen Titel, der aber auch im Grunde schon alles sagt.
Die alternde Mildred Hayes (Frances McDormand) lässt an einer nahezu vergessenen Straße auf eigene Kosten drei gammlige Werbetafeln neu bekleben, um auf die Untätigkeit der örtlichen Polizei im Fall ihrer Tochter aufmerksam zu machen, die sieben Monate zuvor vergewaltigt und umgebracht wurde. Der Fall ist wegen mangelnden Erfolgsaussichten faktisch zu den Akten gelegt. Mildred ist verbittert, in sich gekehrt und wirft jedem Menschen in ihrer Umgebung mit einem gefrorenen Gesichtsausdruck ihren Hass entgegen. Ihre Wut auf alle kanalisiert sie in einem nahezu stoischen Zerstörungstrieb. Sie lebt mit ihrem verbliebenen Sohn, geschieden von ihrem brutalen Ehemann, in einem Landhaus in Sichtweite der Werbetafeln und will, dass endlich etwas getan wird. Besonders verlangt sie dies von Polizeichef Bill Willoughby (Woody Harrelson), der unter den kaltherzigen Beamten von Ebbing noch der einfühlsamste zu sein scheint. Mit ihrer „Werbeaktion“ zieht sie natürlich die Wut des gesamten Polizeireviers auf sich, insbesondere des cholerischen Muttersöhnchens Officer Jason Dixon (Sam Rockwell), und prompt sieht sich die kleine Stadt einer Reihe von Ereignissen gegenüber, die vielmehr bewirken, als Mildred es eigentlich wollte. Mehr sollte man über die Handlung im Vorfeld nicht wissen.
Der Film enttäuscht insgesamt nicht, trotz der hohen Erwartungen. In einer Atmosphäre, die ich am besten als eine Mischung aus „Magnolia“ und „Twin Peaks“ beschreiben kann, ist man sofort voll in der Geschichte. Der hohen Emotionalität des Themas und der größtenteils rohen Charaktere steht eine fast schon bedrohlich ruhige Kleinstadtatmosphäre gegenüber, in der es hinter fast jeder Fassade brodelt. Der Film lebt von den Figuren und ihren Dialogen beim Aufeinandertreffen in ihrem jeweiligen emotionalen Aggregatszustand. Den Machern gelingt es über die Figur der Mildred, dass die Billboards, die das Schicksal ihrer Tochter anprangern, der Fels in der Brandung sich anhäufender Ereignisse und Entwicklungen in der kleinen Stadt sind. Darüber hinaus ist eigentlich nichts konstant. Nicht einmal in der Genrebezeichnung mag man sich absolut sicher sein: Für ein Drama zu komisch, für eine Komödie zu ernst, für einen Thriller zu ruhig, für einen Krimi zu sehr in der Entwicklung der Figuren und zu wenig im konkreten Kriminalfall behaftet. In all seinen Facetten ist der Film aber gerade deswegen eine runde Sache, wohl durchdacht, wohl komponiert und gerade weil sich viele Aspekte der Handlung in den Gesichtern der Akteure abspielen, im Kino ein besonderer Genuss.
Wer sich „Three billboards outside Ebbing, Missouri“ noch ansehen möchte, dem steht das Erlebnis bevor, dass auch ohne wahnwitzige Effekte, apokalyptische Szenerien und atemberaubende Kämpfe um die Rettung der Welt fesselndes Kino heute möglich ist, wenn gestandene Profis am Werk sind. Man möchte an keinem Aspekt dieses Films herummeckern, weil selbst die Tatsache, dass er sehr ruhig ist, einige schleppende Momente hat und, nur an der Oberfläche betrachtet, die eine oder andere Frage offenlässt, irgendwie in das Gesamtkonzept passt. Ob er zu meinen Lieblingsfilmen des Jahres gehören wird, weiß ich noch nicht, aber ich schätze, ein Top 10 Platz ist ihm in jedem Fall sicher. (gepostet: 28.1.2018)
Nachtrag (5.3.2018):
Oscar-Gewinner in zwei Kategorien: beste Hauptdarstellerin (Frances McDormand), bester Nebendarsteller (Sam Rockwell)