Maleficent (2014) - Schreibtipps, für die der Film sich lohnt, selbst wenn Du kein Fantasy-Fan bist

Quelle: www.filmstarts.de
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Ein Gastbeitrag von Stefanie Eisert

 

Stefanie Eisert studiert Anglistik und Spanische Sprache und Kultur an der Universität Duisburg-Essen und nahm bereits an zwei Schreibseminaren teil. Zum Lesen und zum Schreiben bevorzugt sie Geschichten, die das Seltsame, Groteske oder Absurde in "unserer Realität" beschreiben.  

 

 

 

Feen, Kobolde und sprechende Tiere, dazu Zauberei und Protagonisten, die mehr oder weniger, enigmatische Namen wie Aurora und Diaval tragen – der Film "Maleficent - die dunkle Fee" (2014) beinhaltet alles, was Menschen mit Abneigung gegen das Fantasy-Genre abschreckt. Die Protagonistin des Films ist die bereits im Titel benannte Fee Maleficent. Sie lebt in der fantastischen Welt der Moore, wo sie sich eines Tages mit dem Menschenjungen Stephan anfreundet. Doch die Moore und die Menschenwelt sind verfeindet. Jahre später hintergeht Stephan Maleficent, die als mächtige Beschützerin der Moore gilt, um König zu werden. Er beraubt sie ihrer Flügel und bringt sie als Beweis für ihren Tod zum Menschenkönig. Maleficent, zutiefst verletzt von Stephans Verrat, wandelt sich zur dunklen Fee. Als Gehilfe dient ihr der Rabe Diaval, der durch ihre Zauberkraft menschliche Gestalt annehmen kann. Maleficent nimmt Rache an Stephan, indem sie dessen Tochter Aurora verflucht. An ihrem 16. Geburtstag werde sich die Prinzessin an einer Spindel stechen und in einen Schlaf fallen, aus dem sie nur der Kuss der wahren Liebe wecken kann. Während Stephan vergeblich versucht das Eintreten des Fluchs zu verhindern, schafft Aurora es, Maleficents gute Seite wieder zum Vorschein zu bringen.

 

Wenn Du auf die Inszenierung brillanter Fantasywelten stehst, wirst Du den Film vermutlich längst gesehen haben. Warum lohnt es sich aber gerade auch für Fantasy-Gegner, Maleficent zu schauen? Wie fantastisch seine Story auch sein mag, sie eignet sich tatsächlich wunderbar als Schreibhilfe. Die Elemente aus denen sich die Handlung von Maleficent zusammensetzt sind für jegliches Genre brauchbar, wenn nicht gar essenziell. Die Tipps sind also für Fantasyfans ebenso nützlich. Vielleicht kannst Du Dich aber sogar besser auf den Aufbau der Geschichte konzentrieren, wenn es sich nicht um Dein Lieblingsgenre handelt, wenn du nicht viel Vergleichbares gesehen hast und wenn Du nicht so sehr vom gesättigten Farbspektakel der Zauberwelt mitgerissen wirst, dass Dir die strukturellen Kniffe entgehen. In jedem Fall kannst Du dich an folgenden Punkten orientieren, wenn Du demnächst an Deinen eigenen Geschichten feilst.

 

Jede gute Story entwickelt ihre Dynamik aus dem Spiel zwischen Protagonist und Antagonist. In einer Fantasystory wird dies häufig sehr deutlich durch die Unterscheidung zwischen Gut und Böse dargestellt. In Maleficent werden die beiden Pole zum einen durch die ebenso benannte dunkle Fee und zum anderen durch die unschuldig fröhliche Aurora verkörpert. Gut und Böse wird bereits in der Erscheinung der Beiden für den Zuschauer visualisiert – die blonde Prinzessin in weißem Kleid bildet den Kontrast zu der gehörnten Maleficent im schwarzen Gewand. Gleichzeitig lehrt uns die Hintergrundgeschichte der dunklen Fee, dass Charaktere nicht statisch sind. Gerade ihr Wandel ist für Zuschauer und Leser spannend. Zu schildern wie ein Charakter zu dem wurde, was er ist, kann der gesamten Story Tiefe verleihen.

 

Der Film folgt einer chronologischen Struktur. Ein linearer Plot ist nicht immer spannend (auch nicht automatisch langweilig), aber sehr aufschlussreich in Bezug auf wichtige Strukturmerkmale einer guten Story. In Maleficent werden Konflikte, Höhepunkte und Twists säuberlich chronologisch aufgereiht, sodass Du eigentlich nur noch mitschreiben musst. Denn auch wenn eine Story achronologisch erzählt wird, sollte sie zumindest einige der folgenden Merkmale enthalten:

 

Der Zuschauer erfährt direkt am Anfang wie die fiktive Welt aufgebaut ist und welche Konflikte ihr inhärent sind. Hier ist es die fantastische Welt der Moore und die Menschenwelt, die durch ihre Verschiedenheit per se Konfliktpotenzial bieten. Ebenfalls zu Beginn werden die Widersacher Maleficent und König Stephan eingeführt, deren Aufeinandertreffen Maleficents ersten „character-change“ zur Folge hat. Sie wird zur bösen Fee, was wiederum zum ersten Höhepunkt des Plots, dem Fluch auf die Königstochter, Aurora, führt. Der eigentliche Höhepunkt wird hinausgezögert, indem König Stephan versucht den Fluch zu umgehen. Wie es die Dramatik einer spannenden Handlung verlangt, gelingt es ihm nicht und Aurora fällt in den Schlaf, aus dem sie nur der Kuss wahrer Liebe befreien kann. Auf dem Weg zum Happy End wird mit den Erwartungen des Zuschauers gespielt. Die Spannung wird aufrechterhalten, indem der Kuss des Prinzen die Prinzessin widererwartend nicht aufzuwecken vermag. Die Handlung erreicht ihren Tiefpunkt, alles scheint verloren. Doch dann der Twist – schließlich ist es ausgerechnet Maleficent, die Aurora rettet.

 

Ein weiteres Element, dass Du in deinen Geschichten verwenden kannst, um Zuschauer oder Leser abzuholen, ist die Anknüpfung an ihr Vorwissen. In Maleficent dient das Märchen "Dornröschen" als Intertext. Wer das Märchen kennt, wird automatisch die Originalerzählung mit dem Film vergleichen und sich dadurch involviert fühlen. Ein etwas abstrakterer Anknüpfungspunkt an das Vorwissen des Zuschauers ist die zweiteilige Struktur der fiktiven Welt – nämlich die Aufteilung in eine fantastische Welt der Moore und eine menschliche, unserer Realität ähnlichen, Welt. Einher mit dieser Zweiteilung geht der Gegensatz zwischen Gut und Böse. Auch im Alltag definieren wir Begriffe häufig über Gegensätze, um Sachverhalte besser einordnen zu können – eine Denkstruktur, die der Film widerspiegelt.

 

Zuletzt vermittelt Maleficent dem Zuschauer eine Lehre. Die meisten Menschen lernen gerne, werden aber ungern belehrt. Aus Geschichten können Leser und Zuschauer auf unterhaltsame Weise etwas lernen. Vermutlich sind sogar die Geschichten aus denen wir persönlich am meisten gelernt haben diejenigen, die uns noch Monate oder Jahre nach dem Lesen begleiten. Eine der Botschaften, die Maleficent dem Zuschauer lehrt, ist, dass nichts vollkommen gut und nichts vollkommen böse ist. Die Charaktere bewegen sich wie der Zuschauer selbst zwischen den Extremen. Dies wird vor allem durch die Figur Maleficent deutlich, die für den Fluch verantwortlich ist, den sie schließlich selbst aufhebt.

 

Maleficent ist sicher kein sonderlich innovativer Film was Story, Plot und Charaktere angeht. Aber er setzt Altbewährtes überzeugend um und gibt den Zuschauern eine Botschaft mit auf den Weg. Ob Fantasy-Fan oder eben nicht – bei Maleficent lohnt sich der Blick über den Tellerrand des Lieblingsgenres, wenn Du am Aufbau von Geschichten interessiert bist.

 

Fazit: Wer als angehender Autor die Basics des Storytellings erlernen möchte und keine Lust auf trockene Schreibratgeber hat, für den sind die 90 Minuten Gut gegen Böse mit Sicherheit keine Zeitverschwendung. (gepostet: 21.2.2020)