Coco - lebendiger als das Leben

Ich glaube, "Coco - Lebendiger als das Leben", muss ich noch ein wenig sacken lassen. Selten habe ich erlebt, dass der Trailer eines Films so wenig über den eigentlichen Inhalt ausgesagt hat, wie in diesem Fall. Er lief schon Wochen vor dem Filmstart und zu sehen war ein Hund, der einem Knochen hinterherjagte. Dieser Knochen stellte sich als Teil eines wandelnden Skeletts heraus. Es sah nach Klamauk aus, was der Zusatz „zum Totlachen“ am Ende des Trailers noch zu unterstreichen schien. Ich erwartete also so etwas wie eine Geschichte von einem Skelett namens „Coco“, das irgendwie in der Menschenwelt, ein kleines mexikanisches Dorf, das gerade das Fest der Toten feiert, hängen geblieben ist und sich dort zurechtfinden muss. Selten war ich weiter vom Tatsächlichen entfernt!

 

Der Film ist eigentlich eine Hommage an einen der höchsten mexikanischen Feiertage, dem „Tag der Toten“, dessen Wurzeln wohl bis in die Zeit der Azteken zurückreicht und der seit einigen Jahren auch zum „Meisterwerk des mündlichen und materiellen Erbes der Menschheit“ der UNESCO gehört. An jenem Tag möchte der kleine Miguel entgegen den Wünschen seiner Familie seinem großen Vorbild, dem Musiker Ernesto de la Cruz nacheifern, und an einem Talentwettbewerb teilnehmen. Da seine Tante aber vorsorglich seine Gitarre zerstört, nimmt er die seines Idols von dessen Grab und gelangt durch diesen Diebstahl als Lebender in das Reich der Toten. Nur eine Nacht hat er Zeit, den Fluch zu bannen, sonst muss er für immer dortbleiben und sein einziger Kumpan ist der trottelige Straßenhund Dante.

 

Ich glaube, wem „Vaiana“ gefallen hat, der wird auch „Coco“ sehr mögen. Denn was der eine Film mit Polynesien macht, macht der andere mit Mexico. Mir scheint, die Autoren der Pixar-Studios hatten von der Verfilmung okzidental-amerikanischer Erzählungen die Nase voll und haben sich in der Welt umgesehen. Dabei nutzen sie ihre technischen Möglichkeiten und präsentieren ein Farben- und Bildspektakel, das wirklich beeindruckt. Die Disney-typische „heile Welt“ ist natürlich geblieben, aber sie schildern auch immer die Geschichte von Figuren, denen diese Welt tatsächlich etwas bedeutet. Und da es eben nicht mehr der Märchenwald von Schneewittchen ist, sondern eine, zumindest dem europäischen Zuschauer nicht so geläufige Kulisse, hat man das Gefühl, doch eine Grenze zu überschreiten. So entdecke ich persönlich in diesen Filmen auch so etwas wie eine Message, die besagt, dass die Ausdrucksformen der Kulturen der Welt vielleicht unterschiedlich sind und einander befremdlich vorkommen mögen, dass aber alle Menschen nach denselben Dingen im Leben streben und jeder auf seine Art nur glücklich und zufrieden sein will. Und wenn man an Trumps Mauerpläne zu Mexiko denkt, möchte ich doch annehmen, dass dieser Film zumindest in der Lage ist, die einer oder andere Mauer in den Köpfen einzureißen.

 

„Coco“ ist insofern für mich ein toller Film, vielleicht nicht ganz so lustig ausgefallen wie erwartet, dafür überraschend, eindringlich in seiner Machart und in der Zeit, in der er in die Kinos kommt, ein umso wertvollerer Beitrag gegen Kulturchauvinismus und Fremdenangst. Sollte man sich auf jeden Fall ansehen. (auf Facebook gepostet: 5.12.2017, als Nachtrag: 5.3.2018)

 

Oscar-Gewinner 2018 in den Kategorien: Bester Animationsfilm, Bester Song ("Remember me")