Das perfekte Geheimnis (Start: 31.10.2019)

Quelle: www.filmstarts.de
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Oh nein, diesen Film würde ich mir mit Sicherheit nicht ansehen. Das war mein fester Entschluss, als ich den Trailer gesehen habe. Nicht, dass ich prinzipiell etwas gegen Elyas M’Barek, Karoline Herfurth, Jella Haase oder Florian David Fitz hätte. Aber eine deutsche Komödie um drei Pärchen, die an einem Pärchenabend sich gegenseitig in ihre Handys spannen? Was soll das denn bitte geben? Wahrscheinlich der typische deutsche Rotöhrchen-Humor mit viel stupiden Sex-Ausdrücken und ein paar schmutzigen Unterhosen. Aber dann kam der Sonntag und die Aussicht nach der Nachmittagsvorstellung von „Terminator: Dark Fate“ dem Abendprogramm im Fernsehen ausgesetzt zu sein. Das ließ doch die Vermutung zu, dass „Das perfekte Geheimnis“ nicht unbedingt schlimmer sein könnte. Also was soll’s? Karte gekauft und zwischen vielen, vielen Pärchen den Sessel im vollbesetzten Kino aufgeheizt, umgeben vom Handschweißgeruch der Herren, die wohl zu Recht mutmaßten, dass dieser Film ihre besseren Hälften auf allerlei unbequeme Ideen bringen würde.

 

Sieben Freunde, drei Pärchen und einer, der seine Freundin zuhause gelassen hat, treffen sich zum Essen. Es ist Pärchenabendzeit. Da gibt es die emanzipierte Karrierefrau Carlotta (Katharina Herfurth) und ihren Hausmann Leo (Elyas M’Barek), den schlönzigen Taugenichts Simon (Frederik Lau) und seine junge Neuverlobte Bianca (Jella Haase), die Gastgeber, Schönheitschirurg Rocco (Wotan Wilke Möhring) und seine Therapeutinnen-Ehefrau Eva (Jessica Schwarz) sowie den Single-für-einen-Abend Pepe (Florian David Fitz). Die Männer kennen sich noch aus der Kindheit und sind beste Freunde. Über die Plaudereien und dem nur mit gutem Willen genießbaren Essen von Neu-Hobbykoch Rocco kommt seine Frau Eva auf die Idee, für einen Abend alle eingehenden Handy-Nachrichten laut vorzulesen und die Anrufe auf laut zu stellen. Sprengstoff? Mit Sicherheit, doch wer respektive welche Beziehung wird diesen Abend unbeschadet überleben?

 

Man sollte tatsächlich auf diesen Film etwas genauer eingehen. Denn es lohnt sich, ihn auf zwei verschiedenen Ebenen, oder besser, aus der Perspektive zweier unterschiedlicher Kategorien von Zuschauern zu betrachten. Da wären womöglich diejenigen, die sich mit den dargestellten Figuren identifizieren können, die womöglich selbst regelmäßig solchen Pärchenabenden beiwohnen. Sie könnten den Reiz der Handlung tatsächlich in den mal mehr, mal weniger skandalösen Enthüllungen sehen, die zutage gefördert werden. Es könnte sich ein latenter Wunsch manifestieren, in die Privatsphäre des Partners einzudringen, denn wer hat bitte nicht so seine kleinen Geheimnisse und die bestimmt alle auf dem Handy? Weiß ich denn eigentlich wirklich genug über meinen Partner? Habe ich tatsächlich die Kontrolle, Beweise für seine Aufrichtigkeit? Was tut er, wenn ich nicht dabei bin und wieso ist aus der anfänglichen Beziehungseuphorie eine oft eintönige Alltagsroutine geworden? Zweifel werden geschürt und am Ende, nachdem über die Peinlichkeiten der Figuren ausgiebig gelacht wurde, fordert diese Art von Publikum womöglich tatsächlich seinen Partner auf: Schatz, zeig Du mir doch mal, was auf Deinem Handy ist!

 

Diese Menschen haben mein aufrichtiges Mitgefühl. Denn die zweite Kategorie von Publikum könnte in diesem Film vielmehr ein Drama sehen, das die zwischenmenschlichen Beziehungen der Gegenwart zum Thema hat. Was der Film hier vorstellt, ist eine Atmosphäre unter „Freunden“, die von Argwohn, Misstrauen und dem Verlangen nach der Bloßstellung des jeweils Anderen gekennzeichnet ist, oft, um die eigenen Unzulänglichkeiten zu verbergen. Wie die Aasgeier stürzen sich die Figuren im Film auf jede neue Nachricht, jeden neuen Anruf und bewerten alles nach den von gesellschaftlicher Scheinmoral vorgegebenen Kriterien. Niemand kann sie erfüllen, aber jeder verlangt vom anderen, sich nach ihnen zu richten. Und das Schlimmste ist: In dieser „vertrauten“ Umgebung wird dem Recht auf Privatsphäre mit Argwohn und Misstrauen begegnet. Jeder, der nicht die Hosen runterlassen will, hat automatisch etwas zu verbergen. Die Zeigefinger sind permanent zur Anklage ausgestreckt und mit zunehmender Dauer des Films wird deutlich, dass nicht die menschliche Schwäche oder Niedertracht, sondern der Zwang, sich unhaltbaren und sinnlosen Konventionen zu unterwerfen, erst dafür sorgt, dass jeder Einzelne betrügt, verheimlicht oder hintergeht. Es ist ein Ventil, um dem täglichen Druck der geforderten Konformität zu entfliehen. Toleranz und Gleichberechtigung, diese eigentlich wünschenswerten Tugenden, werden auf dem Altar des Perfektionsanspruchs und der „political correctness“ geschlachtet und zurück bleibt nur Misstrauen, Argwohn und innere Leere.

 

Diese Deutung erscheint mir das eigentlich Potential der Geschichte, die auf einer italienischen Vorlage beruht. Dass dieser Film es überhaupt hat, ist sicher, ebenso wie der Vorlage, auch dem auf die deutschen Verhältnisse zugeschnittenen Drehbuch und auch den Schauspielern zu verdanken. Alle spielen ihre Rollen gut, wobei ich Jessica Schwarz als gastgebende Ehefrau besonders hervorheben möchte. Selten habe ich eine Figur auf der Leinwand so aufrichtig gehasst.

 

So ist „Das perfekte Geheimnis“ tatsächlich nur oberflächlich eine Komödie. Schaut man unter die Grasnarbe, so findet sich hier eine in Teilen durchaus feinsinnige Charakterisierung zwischenmenschlicher Abgründe und lediglich das Ende erschien mir in dieser Hinsicht ein wenig unpassend. Da hätte ich mir ein wenig mehr Brachialität gewünscht, aber schließlich müssen auch die Zuschauer der Kategorie 1 auf ihre Kosten kommen. Ansonsten überraschenderweise ein sehr bemerkenswerter Film. (gepostet: 6.11.2019)