Ein Gastbeitrag von Fabrice Arendt
Fabrice Arendt studiert Geschichte und Philosophie an der Universität Duisburg-Essen und hat bisher erst an einem Seminar über das Autor-Sein teilgenommen. Um sich vom Lernen für wichtige Klausuren abzulenken, hat er angefangen, Geschichten zu schreiben. Bisher hat er noch nichts veröffentlicht. Seine momentane Geschichte handelt von Teenagern, die sich selbst und ihren Platz in der Welt finden müssen. Dabei werden ihnen allerdings viele Steine in den Weg gelegt.
Im Laufe meines Lehramtsstudiums habe ich das brennende Verlangen, Bücher zu lesen, in mir entdeckt. Allerdings hatte ich zuvor in meinem Leben alles getan, um Büchern aus dem Weg zu gehen, die Schule hat mich so gesehen zu einer Abwehrhaltung gegenüber ihnen erzogen. Ich tendierte eher zu Serien auf Netflix (welche, wie ich mittlerweile auch herausgefunden habe, so gut wie immer auf einer Buchvorlage basieren). Als ich dann mit ein paar Freunden in London war und wir im Bahnhof Kings Cross umherschlenderten, übermannte mich die Begierde, mir den ersten Harry-Potter-Band zu kaufen und ehe ich mich versah, hatte ich innerhalb weniger Wochen die gesamte Reihe durchgelesen. So blieb ich mit der Sucht nach mehr zurück und es folgt ein Buch nach dem anderen.
Es dauerte nicht lange bis mich die Vorstellungen an mögliche unterschiedliche Enden oder anderen Plots in diesen Universen überkamen. Ständig stellte ich mir die Frage: „Was wäre, wenn X nicht passiert wäre oder wenn anstelle davon Y gewesen wäre?“. Kurze Zeit später formulierte ich in meinen Gedanken eigene Ideen für ein Buch aus, losgelöst von allen bisher gelesenen Geschichten. Das dachte ich jedenfalls. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Schreibprozess häufte ich mir einen guten Haufen an Wörtern zusammen.
Also, warum nicht die ersten drei Kapiteln ein paar Freunden zum Probelesen geben? Die Rückmeldungen fielen größtenteils positiv aus, wobei ich mir sicher bin, dass die meisten es nur gut mit mir meinten, um meine Gefühle nicht zu verletzten. Eine Freundin von mir hinterfragte jedoch eine Menge. Ein Lacrosse-Team in der Highschool mit einem ernsten Protagonisten und einem Sidekick, der für ein wenig Comedy sorgen soll? Erinnert doch schon sehr an „Teen Wolf“. Die geheimen Botschaften, die der Protagonist erhält, welche ein düsteres Geheimnis von ihm drohen zu enthüllen? Klingt für mich ziemlich nach „Pretty Little Liars“. Das neue „mysteriöse“ Mädchen an der Schule, das den Protagonisten erst so gar nicht leiden kann, die sich aber dann immer mehr in das Zweiergespann einbringt? Eine klare Anlehnung an „Percy Jackson“ mit einigen Aspekten von „Eine wie Alaska“. Und von den Persönlichkeiten und Hintergrundgeschichten der Charaktere will ich gar nicht erst anfangen.
War mein bisheriges Werk einfach nur eine aus vielen Serien und Büchern zusammengewürfelte Fan-Fiction? Die Rückmeldungen bestätigten mir diesen Gedanken jedenfalls. Es kamen mir Zweifel der Originalität meiner Geschichte auf. Klar, das Setting der Highschool mit dem ganzen drum herum ist allgemein bekannt, aber viele Autoren schaffen trotzdem immer wieder daraus etwas Neues und Originelles zu schaffen, so war auch mein Plan.
Daraufhin sträubte ich mich eine lange Zeit davor, auch nur ein weiteres Wort zu verfassen, bis ich nicht eine originelle Geschichte ausgearbeitet hatte, bei der nicht jemand „Das kenne ich doch von ...“ sagt. Also vertiefte ich meinen Fokus wieder auf das Lesen. Ein Fokus, der mir die Erkenntnis brachte, dass jede Geschichte in irgendeinem Kontext mit anderen Geschichten verglichen werden kann. Trotzdem können sie originell sein.
Mag eine Person ein bestimmtes Setting aus anderen Werken oder Serien, besteht die Möglichkeit, dass das Interesse an meinem Werk steigt und es fesselnder wird. Die Leser können sich mit solchen Klischees identifizieren. Aus mehreren Aspekten kombinierte Klischees machen aus Deiner Geschichte nicht direkt eine Fan-Fiction oder Kopie einer anderen Geschichte (sofern Du Charaktere, Szenen oder Schauplätze nicht direkt 1 zu 1 aus der Vorlage übernimmst). Nehmen wir zum Beispiel das Schicksal des Harry Potters. Er ist der Auserwählte in seiner Geschichte, seine Eltern sind gestorben. Ein Muster, welches in einigen Genres immer wieder auffindbar ist.
Gerade in der Young Adult Szene lässt sich ein klares System herausarbeiten: Der/die Protagonist hat eine seltene Krankheit, hat einen Unfall erlebt, hat ein abgrundtief schlechtes Verhältnis zu seiner/ihrer Familie, hat verstorbene Eltern oder ist in eine neue Stadt gezogen, um ihrem alten Leben zu entkommen. Diese Werke sind trotz ihrer Ähnlichkeiten keine Fan-Fictions (vielleicht entstanden manche zwar schon daraus, aber sie funktionieren trotzdem als ihre eigene unabhängige Geschichte). Es handelt sich um Klischees und Stilmittel. Stilmittel, die auch schon eine ganze Menge anderer Autoren vor Dir verwendet haben und auch noch nach dir verwenden werden. Diese Klischees haben berechtigterweise Anklang bei einer Gruppe von Menschen gefunden, sonst hätten diese Werke, die solche Mittel verbinden, nicht so eine ungeheure große Leserschaft.
Beim Schreiben geht es letztendlich um den Spaß. Du solltest schreiben, was Du willst und Dich nicht an irgendwelchen Settings oder Eigenschaften, denen du deinen Charakteren zuschreibst, verzweifeln, nur weil Du sie aus einem anderen Werk hast. Selbst wenn sie Ähnlichkeiten zu Charakteren aus Serien, Filmen oder Büchern haben, sie dienen dir als Inspiration, und sofern Du gezielt eine Fan-Fiction schreibst, übernimmst Du diese ja nicht. Wenn Du von der von Dir geschaffenen Welt mit ihren Teilnehmern überzeugt bist, solltest Du sie Dir nicht kaputt denken, nur weil gewisse Ähnlichkeiten bestehen. Bis die erste Fassung Deines Buches fertig ist, wird sich eine Menge verändern, vor allem im Bereich des Plots. Und wenn dann die Korrektur
beginnt, kann deine ganze Geschichte noch einmal aufs Neue umgeworfen werden. Auch diese Erfahrung musste ich machen. Ich habe meine Geschichte als ganz typisches Highschool-Drama entworfen, bin momentan aber auf dem Weg, daraus ein Highschool-Drama mit einer Menge mythologischen Einfluss zu gestalten. Auf einmal werden unterschiedliche antike Religionen thematisiert und etwas ganz anderes rückt in den Vordergrund. So was habe ich bisher noch nicht innerhalb einer Teenie-Serie gefunden.
Was ich damit sagen will: Es ist nicht schlimm, Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten zu besitzen, daraus entstehen ganze Genres. Du solltest Dich von solchen Möglichkeiten nicht ablenken lassen, solange Du von dem, was Du tust, überzeugt bist. Bis ein Buch komplett fertig ist, ist es ein weiter Weg. Ein Weg, auf dem Du Deine eigene Stimme finden wirst, mit der Du Deine Geschichte schreibst. Nur weil jemand vor Dir mit diesem Konzept der Geschichte oder eines Charakters kam, heißt es nicht, dass du deswegen von diesem Jemand kopierst. Aber selbst, falls du den Gedanken hast: Am Beispiel der „After“-Reihe, „Twilight“ oder „Fifty shades of grey“ kannst du sehen, was aus einer Fan-Fiction werden kann, ein (oftmals) umstrittener, aber weltweiter Erfolg.
(gepostet: 12. März 2021)