Branding für Autoren - Bin ich jetzt eine Marke?

Ein Gastbeitrag von Cathryn C. Holister

 

Cathryn C. Holister ist seit ihrer Kindheit leidenschaftliche Autorin skurriler Fantasy. Ferner ist sie Universitätsdozentin für Kulturmarketing mit Schwerpunkt Branding. Sie studierte u.a. Architektur und Kunstgeschichte und forschte im Bereich Erlebnisdesign und Markenwirkung. Seit 2018 ist sie beim Periplaneta Verlag Berlin unter Vertrag. In ihren Büchern experimentiert sie mit historischen und populärkulturellen Quellen sowie mit dem Einsatz von Augmented-Reality-Inhalten.

 

Neuestes Buch:

Inferno für Anfänger, Periplaneta Verlag

 

Homepage: https://infernobook.com/,  

http://demonsdiaries.com/

Instagram: @cathrynholister_author 

 

 

»Du bist doch auf Instagram! Cathryn, oder?«

»Ja, das stimmt! Wahnsinn, dass du mich erkannt hast!«

»Klar! Diese runde Sonnenbrille – das ist doch so was wie’n Marken­zeichen von dir!«

 

Zugegeben, bei der spontanen Bemerkung meines offensichtlichen Followers, die so oder so ähnlich lautete, fühlte ich mich geschmeichelt. Jemand, dem ich sonst nur online begegnete, erkannte mich! Im ›echten‹ Leben! Mein ›Markenzeichen‹ hatte für eine klare Identifi­zierbarkeit gesorgt, selbst mein Name hatte sich eingeprägt!

 

Bin ich jetzt eine Marke? Genial wäre es schon, denn als solche hätte ich einiges an Strahlkraft, ganz abgesehen von einer umfassenden Wiedererkennbarkeit. Eine bekannte Marke muss sich nicht erklären, auch nicht auf dem Buchmarkt. Der Autorenname als Markenname wird zum Qualitätszeichen1, im besten Fall sogar zum Stellvertreter eines kompletten Genres. Mysteryhorror? → Stephen King, klassische Fantasy? → J. R. R. Tolkien, schwülstige Liebesromane? → Rosamunde Pilcher, um nur einige Beispiele zu nennen, die sich sicherlich gegen eine Reihe andere austauschen ließen. Welcher Schreiberling erträumte sich nicht, Teil einer solchen Assozia­tionskette zu sein? Oder wärest du etwa nicht gerne die nächste Synonymautorin für humoristische Dystopien? Oder DER Schriftsteller für romantische Norwegenthriller?2

 

1 Hier lässt sich kritisch anmerken, dass beim Branding Bekanntheit und tatsächliche Qualität seitens der Rezipienten oft gleichgesetzt wird, was leider auch für SchriftstellerInnen gilt.

 

2 Natür­lich kann man nicht nur sich selbst als AutorIn branden, sondern auch sein »Werk«. Da dies jedoch noch besondere Heraus­forderungen mit sich bringt, deren Erläuterung diesen Beitrag etwas gesprengt hätten, sei hier in erster Linie die Autorenmarke erwähnt.

 

 

GLAUBE NIE, DASS EINE MARKE NUR DEIN DING IST!

 

Mit Blick darauf sollte ich meine Frage vielleicht etwas modifizieren in: Habe ich das Potenzial, eine Marke zu werden? Denn, wenn ich mal ehrlich zu mir bin, mangelt es mir ziemlich deutlich an einer Reichweite, die der eines Frank Schätzing, einer Cornelia Funke oder auch nur einer Alexandra Fröhlich ansatzweise nahekommen würde. Nun gut, an der Reichweite könnte man ja gegebenenfalls arbeiten. Was mich jedoch von dem hohen Ross der zukünftigen Brandingikone endgültig absteigen ließ, war die kurz auf die überschwängliche Begrüßung meines mutmaßlichen Followers folgende Bemerkung:

 

»Du schreibst diese Horrorgeschichten, nicht wahr!?«

»Äh, nicht so ganz. Du meinst wegen den Dämonen?«

»Ja, mit Hölle und so? Ist das kein Horror?«

»Es ist eher satirische Fantasy.«

»Ach?!«

 

Irgendetwas in meiner Kommunikation war hier offenbar nicht richtig angekommen, was mir prompt einen der wichtigsten Aspekte bei der Entstehung von Marken wieder vor Augen führte: Glaube nie, dass eine Marke nur dein Ding ist! Sie bildet sich immer im Dialog mit dem Empfänger der Botschaften, die du sendest. Im schlimmsten Fall ist diese Vorstellung nicht mit deinem Selbstbild, deiner Message, deinen Identitätswerten konsistent. Im zweitschlimmsten Fall entsteht gar keine Vorstellung.

 

Spätestens jetzt solltest du dich fragen:

a)       Willst du überhaupt eine Marke sein, also, mit einem expliziten Bild assoziiert werden? Solltest du ungern auf eine bestimmte Richtung festgenagelt werden, hast du panische Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden, ist das Konzept der Marke möglicherweise nicht für dich geeignet.

b)       Wie willst du als Marke sein? Was willst du verkörpern? Was ist deine Identität?3 (was entfällt, wenn die Antwort auf a) »nein« lautet), und

c)        Bist du in der Lage, genau das, was du unter b) formuliert hast, über einen längeren Zeitraum beständig zu kommunizieren? Wenn die Antwort auf c) zwischen »weiß nicht« und »nein« schwankt, kommt es übrigens aufs Selbe raus, als hättest du nach a) abgebro­chen.

 

3  Jenes sollte im Übrigen dringend von den Fragen begleitet werden: »Hebe ich mich damit von der Masse ab?«, »Wer ist meine Zielgruppe?« und »Interessiert die das überhaupt?«. Die Aspekte von Einzigartigkeit und Relevanz noch näher zu erläutern, würde wiederum den Rahmen des Beitrags sprengen, der Vollständigkeit halber seien sie aber hier zumindest erwähnt.

 

 

EIN INDIVIDUELLES ZEICHEN ODER DESIGN IST NICHT ALLES

 

Ich persönlich musste nach der Begegnung mit meinem Follo­wer feststellen, dass es offenbar an c) haperte, wobei ich nebenbei eine weitere Brandingregel für mich bestätigen konnte, nämlich: Ein individuelles Zeichen oder Design ist nicht alles. Nur weil du deine Posts immer im gleichen Stil gestaltest, verbreitest du noch lange keine Markenbotschaft!

›Markenbotschaft‹ – das klingt jetzt vielleicht etwas abschreckend, so nach Werbeanzeige oder T-Shirt-Slogan. Tatsächlich meint es alles, das deine Identität als AutorIn bzw. den Charakter deiner Geschichten zum Ausdruck bringt. Nichts anderes, was du dir vorhin unter b) eventuell überlegt hast: Wie will ich sein? Was will ich darstellen?

Aber zurück zum Dialog mit den Empfängern. Aus dem beschriebenen Online/Offline-Dialog habe ich jedenfalls gelernt, wie wichtig es ist, mein Selbstbild zu hinterfragen beziehungsweise mein Publikum zu befragen, wenn ich wissen will, was meinen Auftritt ausmacht. Beispielhaft könnte das heißen: Wenn du dich als romantisch, lustig und verträumt siehst, jedoch ständig melancholische Vierzeiler auf Schwarz-Weiß-Fotos postest, wundere dich nicht, wenn deine Follower denken, du schreibst Schicksalsromane.

Für mich bedeutet die Erkenntnis meiner kleinen Publikumsforschung konkret: weniger Düsteres in meinen Feed zu packen, mehr Skurriles und Witziges, um mein Selbstbild (und den Kerncharakter meiner Geschichten) besser zu transportieren4.

 

4 Seit ich mein Profilbild auf Facebook geändert habe, erreichen mich nebenbei auch endlich keine Anfragen mehr aus der Hardcore-Ecke.

 

 

MARKEN REDUZIEREN KOMPLEXE EIGENSCHAFTEN

 

Vielleicht fragst du dich jetzt bange, wohin dich eine solche Selbstbegrenzung führt. Wo bleibt die Authentizität zwischen den einheitlichen Botschaften und gleichgestylten Bildern? Eine Antwort hierauf, sollte meiner Meinung nach weder schwarz- noch weißmalerisch ausfallen (obwohl schwarz-weiß ein bevorzugter Stil von mir ist), sondern vor allem drei Aspekte bedenken:

Erstens, wenn das, was du mit deiner Marke darstellen willst, nicht authentisch ist, solltest du deine Werte nochmals überdenken. Eine geheuchelte Rolle zu spielen ist nicht nur anstrengend, sondern wirkt auf deine Zielgruppe auch schnell gekünstelt. Zweitens, bedenke, dass die Marke nicht identisch mit deiner gesamten Individualität sein muss! Deine Autorenmarke, das bist nicht zwingend auch du als Vater, als Rettungsschwimmerin, als Hundefrisör oder als Vorsitzende des Karnevalvereins. Drittens, ja – Marken reduzieren komplexe Eigenschaften! Von Organisationen, Produkten, Dienstleistungen und sogar von Künstlerpersönlichkeiten. Das ist eine ihrer Kernfunktionen: je einfacher, desto einprägsamer. Und ja, das ist ein bisschen unheimlich.

Ich für mich habe es so gelöst: meine potenzielle Autorenmarke hat einen eigenen Auftritt, nutzt eigene Kanäle und bewegt sich in einer eigenen Community – meiner Zielgruppe – und bei all dem kann ich dennoch eindeutig sagen: das bin ich, das macht mich aus! Nicht so sehr in meiner Funktion als Wissenschaftlerin, Tochter oder Kleinunternehmerin, aber als Künstlerin bzw. Autorin und das macht immerhin einen Großteil von mir aus. Gegebenenfalls bin ich also doch bald auf dem Weg zu meiner Autorenmarke. Mal sehen, was mir der nächste Follower über diese erzählt. Die runde Sonnenbrille wird höchstwahrscheinlich mit dabei sein.

 

 

Vielen Dank, Cathryn, für diese interessanten Ausführungen. Als ich von Deinem Fachgebiet an der Universität hörte, habe ich keine weiteren Fragen gestellt außer die, ob Du einen Beitrag darüber schreiben würdest. Ich bin sicher, dass viele Autoren davon profitieren.