Mark Knopfler live: Oberhausen, KöPi-Arena, 1. Juli 2019

Wenn ich in den letzten 20 Jahren einem „peer“ (also einem gleichaltrigen oder zumindest kommunikativ gleichberechtigten Menschen) erzählt habe, dass ich Dire-Straits-Fan bin, bekam ich oft als Antwort: „Die kenn ich. Meine Eltern haben CDs von denen.“ Toll, so etwas will man doch hören!

 

Aber so ist es halt bei dieser Band. Anders als mit den Beatles, den Stones, Queen oder den großen Stadion-Rockbands der 70er und 80er punktet man auf der Trendskala des zwischenmenschlichen Kontakts offenbar nicht sonderlich mit der Vorliebe für diese Mega-Band, die Mark Knopfler Mitte der 90er auflöste, weil sie ihm, so ist es überliefert, „zu groß“ wurden. Er wollte lieber als Musiker ein ruhigeres Leben haben, keine Stadien füllen, sondern seine Songs schreiben und touren, ohne großen Aufwand. Aber auch dieses Vorhaben wurde bei ihm witzigerweise zum „Dire Straits“, zum totalen Fehlschlag. Denn schnell füllte er auch mit seiner Solo-Karriere wieder Stadien oder zumindest die großen Arenen, so wie die komplett ausverkaufte KöPi-Arena in Oberhausen am 1. Juli 2019. Natürlich zog es mich magnetisch dorthin. Denn abgesehen von Dire-Straits-Songs wie „Brothers in arms“, „Telegraph Road“, „Your latest trick“, „Sultains of swing“ oder „Tunnel of love“, die mein Leben begleitet, verändert und auch bestimmt haben, kann der Meister ebenso mit seinen Solo-Alben auf eine nahezu unversiegbare Quelle an großartiger Musik verweisen. Seine ruhige und bescheidene Art machen ihn für mich endgültig zum Genie am musikalischen Firmament.

Das Publikum in Oberhausen war dann tatsächlich im Alter der Eltern meiner „peers“, vielleicht ein bisschen jünger. Aber gut, mal wieder den Altersschnitt zu senken, ist ein seltenes Erlebnis für mich geworden, über das ich mich nicht beschwere. Auch Mark Knopfler ist alt geworden: „I used to be young but now it’s different“, kommentiert er selbst schmunzelnd während des Konzerts. Als er gegen viertel nach acht die Bühne betritt und mit „Why Aye Man“ seine liebevoll ironische Hommage an Deutschland zum besten gibt, sieht man einen Menschen, der mit Bewegungen haushält, sich völlig auf sein Spiel konzentriert und ebenso von seiner 9-köpfigen Band getragen wird, die er abgöttisch liebt. Aber sieht man von gewissen körperlichen Gegebenheiten ab, schlummert in diesem Mann immer noch dasselbe Feuer wie vor 30 Jahren. Er liebt sein Instrument und seine Musik. Noch heute wirkt er, als erscheine ihm jeder Ton, den er seinen Gitarren entlockt, wie ein Wunder: „When I was a kid all I wanted desperatly was a guitar. Now they are everywhere!!!“, sagt er während des Konzerts.

 

Das stimmt auch. Nach jedem Song wird das Licht gelöscht und plötzlich stürmen 10 Roadies gleichzeitig auf die Bühne, um den einzelnen Musikern inklusive Knopfler neue Instrumente zu reichen. Seine Mitstreiter sind alle Multiinstrumentalisten. 46 Instrumente spielt diese Band insgesamt, verkündet der Meister selbst stolz. Aber eigentlich sind sie es, die stolz und froh sind, die Bühne mit ihm zu teilen. Spätestens mit dem dritten Lied „Sailing to Philadelphia“, mit dem Knopfler der Durchbruch als Solo-Künstler gelang, ist eine Atmosphäre in die Halle gezaubert, die einzigartig ist: Blaues Licht, ein paar Nebelschwaden, und ein Mann, die einfach nur da steht und Zauber verbreitet. Zwar verzichtet er heute auf einige der ganz großen Klassiker, die er im Repertoire hat, aber mit „Once upon a time in the west“, dem Opener des 2. Dire-Straits-Albums „Cummunique“, gibt er dafür etwas für die alten Eingefleischten zum Besten. Natürlich darf auch „Romeo and Juliet“ nicht fehlen. 

Dann wird ihm ein Hocker gereicht und er setzt sich. Während Knopfler zunächst überhaupt nicht sprach, keine Ansagen machte und auch wenig mit dem Publikum agierte, gerät er nun ihm Sitzen richtig ins Plaudern: „I was thinking to retire. But I love playing for the people. So I decided I continue to play until I simply drop down.“

 

Im Sitzen spielt er zwei Songs vom neuen Album „Down the road wherever“, die auch die einzigen neuen bleiben werden. Für mich definitiv der Höhepunkt ist „Your latest trick“, dieses Lied mit dem wahnsinnig melancholischen Saxophon, des den perfekten Soundtrack für schon so manch nachdenklichen Nachtspaziergang, Kneipenaufenthalt oder einfach nur Sitz am heimischen Fenster bildete. Dieses Lied war das letzte unter allen Dire-Straits-Klassikern, das ich noch nie live gehört hatte. Dafür stand Knopfler auch wieder auf und schenkte dem Publikum im Anschluss nicht nur seine zwei live wahnsinnig gut funktionierenden Solo-Songs „Postcards from Paraguay“ und „Speedway at Narareth“, sondern auch noch „On every street“ vom letzten Dire-Straits-Album. Einfach großartig!

 

Die Zugaben waren nicht unbedingt für Kenner, aber wer will sich schon beschweren, wenn er „Money for nothing“ und „So far away“ hören darf? Den Abschluss bildete, wie häufig, „Going Home“, das wunderbare Instrumentalstück von Knopflers ersten Soundtrack „Local Hero“.

Ich war absolut begeistert. Allein schon aus dem einen Grund: Der Mann ist über 70 und spielt ein 2-Stunden-Set! So viele Musiker sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen. Ich bin froh, dass es bereits mein viertes Konzert war und ich viele meiner Lieblingslieder von ihm, die an diesem Abend nicht zum Zuge kamen, schon live gehört hatte. Die Setlist war so wie für mich gemacht, die Atmosphäre einzigartig und ein Konzert von ihm eine Reise durch mich und zu mir selbst. Einmal mehr muss ich sagen: Mark, danke für alles! (gepostet: 2.7.2019)