Der Film läuft seit zwei Tagen in den deutschen Kinos und schon spricht die „Welt“ in ihrer Kritik von einer Revolution. Vom „Citizen Kane der Desktop-Filme“ ist dort die Rede, von dem Beginn der Entwicklung einer neuen Filmsprache, in der die Geschichte nur noch über Chats und Videos am Computerbildschirm erzählt wird. Natürlich gibt es Vorbilder, speziell „Unknown User“ oder „Unfriend“ aus dem Horror-Genre. Aber ein Thriller in dieser Form weckt natürlich Interesse, auch meins, und daher wollte ich nicht lange warten, um ihn mir anzuschauen.
Der Film beginnt tragisch. Pamela Kim (Sara Sohn) stirbt an Lymphdrüsenkrebs, den sie eigentlich schon besiegt zu haben glaubte, und hinterlässt ihren Ehemann David (John Chio) und ihre Teenager-Tochter Margot (Michelle La). Die beiden haben ein gutes Verhältnis, der Vater sorgt sich um sein Kind, hält stets über die sozialen Medien Kontakt zu ihr. Eines Abends ruft er sie an, als sie gerade bei einer Lerngruppe ist und ankündigt es könnte spät werden. Nachts verpasst David zwei Anrufe von ihr, am nächsten Morgen ist sie verschwunden. Zunächst verwundert, dann zunehmend verzweifelt, versucht er, möglichst viele Menschen zu erreichen, die wissen könnten, wo sie steckt, indem er ihre Accounts hackt und die Leute kontaktiert. Die Polizistin Rosemary Vick (Debra Messing) hilft ihm dabei. Während seiner Suche begreift David immer mehr, dass er seine Tochter eigentlich gar nicht kennt. Er hat sie immer für beliebt in der Schule und unter ihren Freunden gehalten, doch eigentlich war sie eher eine Einzelgängerin. Ein paar merkwürdige Chats mit Fremden führen ihn dann auf eine Spur.
Der Film wird bislang von Kritikern wie vom Publikum gleichermaßen gewürdigt (92 % bei Rotten Tomatos). Mag sein, dass tatsächlich, wie die „Welt“ prophezeit, in den nächsten Jahren eine ganze Menge solcher Filme auf den Markt kommt. Doch ein wirklicher Durchbruch, eine Etablierung dessen, was man als „Desktop-Genre“ bezeichnen könnte, ist er für mich noch nicht. Indem er seinen Stil konsequent durchzieht, verpasst er leider gerade gegen Ende einige Chancen. Um nicht zu viel zu verraten, will ich nur bemerken, dass zum Beispiel „Roanoke“ (die Staffel 6 von American Horror Story) mit ihrer Mischung aus Crime-Dokumentation und Found-Footage in dieser Hinsicht viel innovativer und spannender zu Werke geht. Es gibt einige schöne Facetten in „Searching“, zum Beispiel, wenn man sieht, wie David einen Riesenanschiss an seine Tochter schreibt, am Ende ein Ausrufezeichen, dann aber doch nur einen Punkt setzt, um schließlich alles zu löschen, weil er sich doch große Sorgen macht. Schön, aber revolutionär?
Zudem ist die Story zwar spannend, unterhaltsam und ebenso auch überraschend, wirkt aber bei genauerer Betrachtung etwas unausgereift, was womöglich an den begrenzten Möglichkeiten der Figurenentwicklung nur über Chats und Videos liegt. In seiner stilistischen Konsequenz hat der Film mit einigen Längen zu kämpfen, die möglicherweise in Zukunft von kreativen Autoren und Regisseuren noch mit guten Ideen verhindert werden könnten. Hier ist das Found-Footage Genre schon wesentlich weiter, wie man unlängst am Film Heilstätten sehen konnte. Könnte eine gute Inspirationsquelle sein.
Ich will „searching“ nicht schlecht machen, nur weil das Wort „Revolution“ mal wieder recht inflationär gebraucht wird. Der Film ist insgesamt sehenswert, schafft aber lediglich eine Basis. Die Motivation für zukünftige Projekte kann nur sein, es noch ein wenig besser zu machen.
(gepostet: 22.9.2018)