ENDE ist nur ein Wort. Meine Zusammenarbeit mit dem Projekt "Ungebunden Literaturagentur"

 

ein Gastbeitrag von Dorina Wessendorf

 

Kennengelernt habe ich Dorina über Instagram. Dort erzählte sie mir vom Projekt "Ungebunden Literaturagentur", ein Seminar, das einige Semester an der Ruhr Universität Bochum stattfand. Hier haben Studentinnen und Studenten ambitionierte Autorinnen und Autoren unterstützt, einen Verlag für ihr Romanprojekt zu finden. Ich war sofort begeistert, was für eine großartige Idee! So bat ich Dorina, ihre Erfahrungen mit diesem Projekt einmal aufzuschreiben. Denn sie hat tatsächlich über dieses Seminar einen Verlag für ihren Roman und auch für weitere Romane gefunden.Über ihr Debüt Präriewind, ein historischer Roman, der eine Geschichte um die indigene Bevölkerung in den USA erzählt, habe ich sie bereits interviewt. Das Interview könnt Ihr hier nachlesen. 

 

Foto: Dorina Wessendorf

 

Ich erinnere mich noch genau. Eines Abends nach vielen Monaten des Schreibens, Plottens, der Gedanken über Figuren, Orte und Formulierungen habe ich die magischen Worte unter mein erstes Manuskript getippt: Ende. Kurz hielt ich inne. Ich hatte nun wirklich ein Buch geschrieben. Einen Western, dem ich den Titel "Präriewind" gab. Doch dem langen Abtauchen in meine Geschichte folgte nun das Auftauchen. Wie bei einem Bad in meinem geliebten Ozean schaute ich mich um, doch anstatt dem Strand, der Sonne und dem blauen Himmel sah ich nur diese vier Buchstaben: Ende. Und ich fragte mich: Ist es das wirklich?

 

Sofort tauchten neben mir weitere Fragen auf: Wohin schickt man so einen fertigen Roman? Verlage gibt es wie Sand am Meer. Wie soll man da den richtigen finden? Und noch dazu einen, der überhaupt Interesse an einer Zusammenarbeit hat? Ein Western ist nicht gerade das, was leicht unterzubringen ist. Wie müsste ich mich da überhaupt vorstellen? Und was gehört in ein Expose? Alles Dinge, die für eine Erzieherin in einer Kindertagesstätte wie fremde Welten klingen.

 

Diese Gedanken spukten mir permanent im Kopf herum, als ich Anfang 2020 die letzten Seiten meines Romans getippt habe. Dieser war mehr oder weniger aus einem lange vor mir hergeschobenen Kindheitstraum und der Suche nach etwas, das mich erfüllt, entstanden. Nicht aber, damit ihn wirklich jemand liest. Oder doch? Mit so einem fertigen Werk in der Hand packt einen dann ja doch der Ehrgeiz.

 

Zu all diesen Unsicherheiten kam dann noch ein weiteres Problem. Ja, es war das Frühjahr 2020 und ein lang ersehnter Urlaub ins ferne Sansibar stand vor der Tür. Doch dann: Pandemie, Lockdown und Reisebeschränkungen. Dazu noch Bereitschaftsdienst im Kindergarten, täglich wechselnde Dienstpläne und ein fertiges Manuskript, das wahrscheinlich in  irgendeiner Schreibtischschublade verschwinden würde. Großartig! Da war der Frust schon vorprogrammiert.

 

Doch dann tauchte an einem langweiligen Freitagabend auf der Couch statt am Strand einer tropischen Insel wie aus dem Nichts die Instagram-Story einer ehemaligen Klassenkameradin auf, zu der ich längst keinen Kontakt mehr hatte:

 

„Projekt Ungebunden Literatur Agentur“ auf der Suche nach Schreibenden mit ihren Kurzgeschichten, Gedichten oder Buchideen." 

 

Durchaus interessant, aber erst einmal weitergescrollt. Aber irgendwie erschien da die berühmte Stimme im Kopf. Stopp, das könnte doch was sein. Also schrieb ich die längst vergessene Schulkameradin ohne große Erwartungen an und bekam prompt eine Antwort. Sie hatte die Anzeige bloß für ihre Uni weitergeleitet. Die Ruhr-Universität Bochum suche im Rahmen des Projektes Ungebunden nach Hobby-AutorInnen, die durch die Studierenden die Möglichkeit zu einem Lektorat und Hilfe bei der Suche nach passenden Verlagen bekämen. Und das ganz ohne Kosten und mit entsprechender Vorbereitung eines professionellen Exposes und allem was dazu gehörte. Keine Vorerfahrung notwendig, nur einen mehr oder weniger fertigen Text. Und da war es! Genau das was ich brauchte. Doch der Haken: Abgabeschluss morgen, Leseprobe von 30 Seiten plus Anschreiben und Expose. Jetzt oder nie! Was hatte ich schon zu verlieren?

 

Also setzte ich mich die halbe Nacht vor den Laptop statt in die Hängematte und reichte meine Unterlagen in letzter Sekunde ein.  Nur wenige Tage später kam die Zusage, dass ich angenommen wurde.  Ich konnte es kaum fassen!

 

Kurz darauf fand das erste Zoom-Meeting statt und ich lernte die mir zugeteilte Studentin kennen. Die Chemie stimmte sofort und ich konnte kaum glauben, dass da plötzlich jemand über die von mir erfundenen Charaktere und Handlungen sprach. Es war wie in einem Traum. Von nun an hatten wir für die nächsten drei Monate immer mittwochs unsere virtuellen Treffen, die für mich eine willkommene Abwechslung zu dem stressigen, überhaupt nicht mehr alltäglichen Kitaleben zwischen Corona-Notbetreuung, Schichtdiensten und Desinfektionsplänen darstellten. Denn nein, Zuhause waren Erzieher im Lockdown nicht. Eher im Gegenteil. Also freute ich mich jeden Mittwoch wahnsinnig darauf, die nächsten Kapitel durchzusprechen, kleine Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge zu erhalten und ganz viele Fragen zu meiner Geschichte gestellt zu bekommen. Ich erinnere mich noch genau daran, wie verrückt es sich anfühlte, dass jemand plötzlich Dinge wusste, die bisher nur in meinem Kopf existiert hatten oder sich Gedanken über die Gefühlswelt meiner Figuren machte.

 

So haben wir uns Woche für Woche durch das Manuskript gearbeitet und ich fand es unglaublich spannend, den Text zum ersten Mal durch fremde Augen zu lesen. Alle Änderungen waren natürlich nur Anregungen und ich konnte selbst entscheiden, wie ich damit umgehe. Doch für mich waren sie eine riesige Hilfe und ich konnte sehr viel über das Schreiben lernen. Anschließend hat meine Projektpartnerin sich um die Suche nach Verlagen gekümmert, in deren Programm mein Werk passen könnte, und wir haben gemeinsam eine Auswahl getroffen. Besonders gefreut habe ich mich über zwei Verlage, die sich auf die Geschichte der indigenen Bevölkerung Amerikas spezialisiert hatten. Also genau das, was ich für „Präriewind“ gesucht habe! Und somit war nicht nur mein eigener Ehrgeiz geweckt und die junge Studentin und ich haben so lange an einem Expose gepfeilt, bis wir es dann endlich abgeschickt haben. Auch wenn dafür so manche Nacht- oder Wochenendschicht eingelegt wurde.

 

Und siehe da, kurz darauf kam der Anruf vom Indian Summer Edition Verlag aus Neubrandenburg. Sie wollten mein Buch veröffentlichen! Unglaublich! Und wen habe ich zuerst informiert? Natürlich meine großartige Projektpartnerin, ohne die mein Manuskript vielleicht noch immer in der bekannten Schreibtischschublade gelegen hätte.

 

Ich war also nun eine richtige Autorin! Und seitdem ist viel passiert. Mein Debütroman "Präriewind" ist mittlerweile zu einer Reihe geworden, deren dritter Teil schon bald gedruckt werden wird. Die Zusammenarbeit mit „Ungebunden“ hat mich so sehr in meinem Schreiben bestärkt, dass ich mir mittlerweile gar nicht mehr vorstellen kann, wie es ohne war. Ich habe mich zu keiner Zeit wie ein blutiger Anfänger, der ich ja nun einmal war, gefühlt und war froh, meiner Projektpartnerin wie auch der Projektleitung zu jeder Zeit, jede noch so blöde Frage stellen zu dürfen.

 

Und so habe ich mich auch in diesem Jahr bei  der Ruhr-Universitätä Bochum für das Projekt „Ungebunden“ beworben. Für eine ganz neue Buchidee in einem anderen Genre. Wieder Neuland, wieder Anfänger.  Doch eines war anders. Dieses Mal habe ich die Fragen gestellt bekommen. Von meinem Projektpartner, der plötzlich mich als Experte betrachtete. Schließlich hatte ich schon einmal mehr als er bei „Ungebunden“ teilgenommen. Ein seltsames Gefühl. Und noch etwas war anders. Nämlich der Zeitrahmen. In diesem Jahr ging die Zusammenarbeit nur knappe drei Monate statt den vorherigen fünf. Und als wenn es nicht schon wenig Zeit gewesen wäre, fand dieses Mal meine Sansibarreise tatsächlich statt. Allerdings genau in dem Projektzeitraum. Und der Studierende selbst hatte auch noch einen Urlaub vor sich. So wurden aus drei Monaten gerade mal acht Wochen. Also haben wir beide beschlossen: zweimal wöchentlich Zoom-Meetings, lange To-Do-Listen, wieder Wochenendschichten und viele spontane Absprachen über Whatsapp. Gerade zum Ende hin ein echter Marathon!

 

Doch es hat sich gelohnt! Nach dem knappen Zeitraum standen ein zumindest vorläufiges Lektorat und die Bewerbungen bei mehr als acht Verlagen.

 

Jetzt heißt es warten und ich bin gespannt, ob unsere Mühe belohnt wird. Doch eins ist klar, selbst wenn es dieses Mal keine Zusage von einem Verlag gibt: an mangelndem Einsatz kann es nicht gelegen haben! Dieses Mal wusste ich, auch wenn das Wort unter meinem Manuskript stand, das hier war nicht das Ende.

 

 

Vielen Dank für Deinen schönen Bericht, Dorina, und viel Erfolg bei allen Deinen weiteren Projekten. (gepostet: 3. Juli 2023)