Die Sch'tis in Paris - Eine Familie auf Abwegen (Filmstart: 22.3.2018)

Quelle: www.filmstarts.de
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Vor zehn Jahren sorgte der Regisseur Dany Boon mit seinem Film „Willkommen bei den Sch’tis“ für den französischen Kassenschlager schlechthin, sowohl in seiner Heimat als auch in Deutschland. Der bis dato hierzulande wohl relativ unbekannte Ruf der Bewohner des Nord-Pas-de-Calais im französisch-belgischen Grenzgebiet, sie seien bäuerlich und rückständig, wurde in diesem Film publikumswirksam aufs Korn genommen und sorgte in Frankreich für eine tiefgreifende Diskussion um den Wahrheitsgehalt der Darstellung. Der Erfolg des Films in Deutschland ist wohl in erster Linie auf die Umsetzung des regional-spezifischen Dialekts zurückzuführen, der sich durch eine exzessive Verwechslung verschiedener S-Laute kennzeichnet, so dass zum Beispiel aus „dreißig“ ein „dreischiss“ wird. Nun läuft zehn Jahre später der zweite Sch’ti-Film, den Boon wohl zurecht nicht als eine Fortsetzung bezeichnet, weil er weder die Handlung des ersten Films wiederaufnimmt, noch die Figuren dieselben sind. Lediglich der sprachliche „Schiss“ ist geblieben.

 

Der schwer reiche Designer Valentin D. (Dany Boon) und seine Frau Constance veranstalten in Paris eine große Retrospektive ihres Schaffens. Mitten in diesen Höhepunkt seiner Karriere platzt seine Familie aus dem Norden, seine Mutter, sein Bruder nebst Frau und seine Nichte, die allesamt ihre Herkunft in Sprache und Verhalten weder leugnen können noch wollen. Da Valentin vor der Presse seine Herkunft stets verleugnet und behauptet hat, er sei eine Waise, bedeutet dieses Erscheinen eine Gefahr für seine Karriere. Ihm gelingt es, seine Verwandtschaft relativ unbemerkt zu entfernen und zu sich nach Hause zu locken. Dort wird denen allerdings klar, dass sich der verlorene Sohn ihrer schämt, was sie dazu veranlasst, mit ihm zu brechen. Als Valentin seinem Schwiegervater, dem Anteilseigner seines Konzerns, offenbart, dass er nun nicht länger über seine Herkunft lügen will, wird er von ihm überfahren und erleidet einen Gedächtnisverlust. Plötzlich ist er wieder siebzehn und legt genau dasselbe Verhalten an den Tag wie der Rest seiner Familie. Seine Frau und ihr Vater müssen sich nun bemühen, aus ihm wieder den versnobten Pariser Designer zu machen, damit ein großes Geschäft, das kurz vor dem Abschluss steht, nicht platzt.

 

Ich lese ja gerne vor dem Schreiben Kritiken zu den Filmen und mal wieder hat sich die „Welt“ mit einer fulminanten Meinung hervorgetan, dass der zweite Sch’ti-Film Wasser auf die Mühlen von Marine Le Pens Heimatpropaganda sei, weil er das einfache Landleben über die Pariser Gesellschaft erhebe. Wow, was für ein Statement! Als wenn jeder, der dem kleinen Dorf im Unterschied zur großen Stadt etwas abgewinnen kann, gleich in nationalsozialistische Bauernromantik verfällt. Besonders wenn man bedenkt, dass hier nicht Berg- und Almhüttenidylle gezeigt wird, sondern schmierige Baracken und Menschen, die nach Benzin schmeckendes Gemüse essen. Mmh, liebe Redakteure, da kommt doch Sehnsucht nach der Unschuld des Landlebens auf. Oder, um es in der Sprache der Sch’tis auszudrücken: „Wasch für Blödbommel, hä?“

 

Wahrscheinlich haben sich die Kollegen von der „Welt“ ein wenig zu sehr selbst in den parodierten Gestalten erkannt. Dem tatsächlich denkenden Teil des deutschen Kinopublikums sei gesagt, dass „Die Sch’tis in Paris“ eine französische Komödie der subtileren Art ist, die ihre Stärke weniger aus brachialem Humor, sondern vielmehr aus gelungener Parodie, besonders des versnobten Teils der Pariser Gesellschaft, zieht. So schwebt für mich sogar ab und an der Geist von Loriot in dieser Mischung aus Dialogwitz und skurrilen Details, wie zum Beispiel den stets humpelnden Kunden des Möbeldesigners Valentin D., die von seinen Kreationen bleibende physische Schäden davontragen. Die Geschichte ist von liebenswerten Figuren gesäumt und wird getragen von   spontaner, ländlicher Naivität, die sich letztlich erfolgreich gegen durchtriebenen Metropolenkapitalismus durchsetzt. Insofern kann ich dort genauso gut Motive erkennen, die schon Charlie Chaplin mit seinen Filmen zur Legende gemacht haben.

 

Insgesamt sind es schöne 106 Minuten, die der Film einem als Zuschauer beschert. Leicht, lustig, ein wenig rührend am Ende, eben mit dieser französischen Art, Dinge einfach mal nicht so schwer zu nehmen, wie es so manche Deutsche gerne noch lernen dürfen. Also meine volle Empfehlung für „Die Sch’tis in Paris“! Und nur damit ich mir von den Welt-Kollegen nichts nachsagen lassen muss: Den Film anschauen, aber nicht hinterher die AfD wählen. Denn das ist falsch!

(gepostet: 28.3.2018)