Der Ruhrpott ist mal wieder im Kino, dieses Mal in Form der Stadt Essen. Was gibt es nicht für wunderbare Ruhrgebietsfilme und -serien, von Tatort-Schimmi über Manta Manta bis hin zu Bang Boom Bang. Da gibt es diese „Guck mal da wohne ich“-, „da arbeite ich“- oder „da war ich gestern noch“-Momente, die einen besonderen Reiz ausmachen. Und wenn der gebürtige Essener Henning Baum wieder in seine Paraderolle als „Bulle“ Mick Brisgau schlüpfen kann, so ist ihm dies hoffentlich vertrauter als die von Lukas dem Lokomotivführer, den er in einer insgesamt guten Verfilmung meiner Meinung nach doch etwas steif und uninspiriert verkörperte. Also, Füße hoch, Fluppe an und rein ins Vergnügen.
Der Polizist Mick Brisgau (Henning Baum) wird 1994 von einem Gangster angeschossen und fällt ins Koma. Dies ist natürlich ein Schock für seine Frau, die gerade erst ihre gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hat. 25 Jahre später erwacht er wieder und muss feststellen, dass nicht nur seine Frau inzwischen wieder geheiratet hat, seine Tochter erwachsen, sondern auch der Verbrecher, der ihn angeschossen hat, immer noch auf freiem Fuß ist. Zurück im Polizistenleben wird ihm ausgerechnet Andreas (Maximilian Grill), der neue Ehemann seiner Frau, als Partner zu Seite gestellt. Außerdem ticken die Uhren im Jahr 2019 anders und so schlägt sich Mick als der letzte Bulle vom alten Schlag durch die Straßen, Hinterhöfe, Kneipen, Spielhallen und Bordelle des Ruhrgebiets, um seinen Peiniger endlich zur Strecke zu bringen.
Ja, doch, die Rolle des Mick Brisgau steht Henning Baum gut zu Gesicht. Da ich die Serie nicht kenne, kann ich keine Vergleiche ziehen, aber ich gehe davon aus, dass der Film so eine Art Pilot-Remake ist. Der Humor und die kleinen Seitenhiebe auf heutige gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten stehen im Mittelpunkt und erschöpfen sich auch im Laufe der Filmzeit nicht. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass sie innerhalb einer ganzen Serie zunehmend ermüdend werden. Tatsächlich funktioniert auch die Konstellation der ungleichen Partner Mick und Andreas durchaus, zumal natürlich ihre private Konkurrenz noch zusätzlich Pfeffer in die Suppe streut. Der Ruhrpott-Charme tut sein Übriges, damit der Film ein schönes Gegengewicht zur Till-Schweigeritis des deutschen Kinos bildet.
Darüber hinaus bietet „Der letzte Bulle“ keine Überraschungen. Menschen, die sowohl den Film als auch sich selbst zu ernst nehmen, könnten kritisieren, dass hier die Sphäre der Gangs, Clans, Verbrecher, Rotlichtviertel, angereichert mit der einen oder anderen Currywurstbude, überbetont wird. Das Ruhrgebiet als Kulturort fällt geflissentlich hinten über. Ich erwähne das nur, damit niemand auf die Idee kommt, der Film biete irgendetwas Anderes als das, was man von ihm erwarten kann: Ein paar nette Sprüche, ein wenig kerniger Humor, Verfolgungsjagden durch die, wie der Ortskundige weiß, eher abgelegenen Orte des Ruhrgebiets und im Ganzen eine ganz schön Geschichte. Immer schön nach dem Motto: "Was ist der Unterschied zwischen Hochsprache und Bildungssprache?" - "Egal, in Altenessen gibt's für beides auf's Maul!".
Wer das erwartet, wird sicher nicht enttäuscht an. Alles andere wäre Wahnsinn und insofern gefiel mir „Der letzte Bulle“ auch ganz gut, wobei man den ich sicher auch zuhause in Ruhe ansehen kann. Kino braucht dieser Film nicht unbedingt. Wer es nicht abwarten kann, darf sich im Kinosessel dann auf die Jagd nach ihm bekannten Orten von „Downtown Essen“ machen und wird durchaus auf seine Kosten kommen. (gepostet: 28.11.2019)