Schreibtipps zur Charaktererstellung, Entwicklung und Veränderung mit Hilfe von Naruto (1999-2014)

 

 Ein Gastbeitrag von Kathrin Szkola

 

Kathrin Szkola studiert Germanistik und Philosophie an der Universität Duisburg-Essen und hat bereits mehrere Schreibseminare besucht. Ihr liebstes Genre zum Lesen ist Fantasy und sie schreibt Bücher, Kurzgeschichten, Gedichte und Lied- und philosophische Text zu Themen wie Vertrauen, Verzeihen, Moral und Konflikten.

 

 

Ein Autor kann so ziemlich überall Inspiration finden. Kein Zweifel. Besonders gut eignen sich aber Filme oder Serien. Gerade fortgeführte Serien bieten meiner Meinung nach, dank umfassender Handlung und wiedererkennbarer Figuren, viele Tipps zur Gestaltung und Entwicklung von Figuren. Und diese möchte ich anhand des Beispiels „Naruto” erörtern.

 

Der Hauptcharakter

 

Jede gute Geschichte braucht einen nachvollziehbaren, nicht stereotypischen und interessanten Hauptcharakter und an der Konzeption von Naruto könnt ihr Eigenschaften ableiten, die ein guter Protagonist haben sollte. Zum einen sollte er ein Ziel haben, das für ihn an erster Stelle steht. Das Ziel sollte für den Leser nachvollziehbar sein und kann Hinweise auf ein tiefes inneres Bedürfnis der Figur enthalten. Naruto hat z.B. das Ziel/den Wunsch, Hokage (Oberhaupt seines Dorfes) zu werden, um sich vor sich selbst und anderen zu beweisen. Das wird für den Zuschauer besonders nachvollziehbar, da er von niemandem ernst genommen wird und von vielen gemieden oder ausgelacht. Wenn jemand von seinem Umfeld nicht angenommen wird, schafft das schon mal einen interessanten Hauptcharakter, wenn dieser dann aber noch alles andere als perfekt ist/viele Schwächen und Probleme hat, die ihn daran hindern, sein Ziel zu erreichen, ermöglicht das zusätzlich Identifikation. Dabei sollte man jedoch darauf achten, dass ein Charakter nicht nur bedauernswert erscheint. Damit das Erreichen seines Ziels für den Leser überhaupt glaubhaft erscheint, müssen Schwächen durch Stärken ausgeglichen werden. Naruto ist zwar der schlechteste Schüler und hat kein Talent für das Erlernen von Jutsus (speziellen Techniken, die auf körperlichen und geistigen Fähigkeiten beruhen), besitzt dafür jedoch die Einstellung, niemals aufzugeben und steht dementsprechend immer wieder auf, wenn ihn jemand zu Boden wirft (im übertragenden als auch im wörtlichen Sinn). Ein Charakter, bei dem das Verhältnis zu anderen, sein größter Wunsch und seine Stärken und Schwächen in Bezug zueinander stehen, schafft einen runden Charakter und ein solcher schafft Empathie beim Zuschauer oder Leser.

 

Charakterentwicklung

 

Ein deutlich gezeigter nachvollziehbarer und runder Charakter ist bereits ein guter Anfang für eine Geschichte, jedoch wünscht sich der anspruchsvolle Zuschauer/ Leser gerade bei einem Charakter mit vielen Schwächen zusätzlich eine Entwicklung. Auch das fördert die Identifikation mit einer Figur, denn fast jeder, der öfter über sich selbst reflektiert, stellt irgendwann fest, dass er nicht mehr genauso denkt/spricht/handelt wie zu einem früheren Zeitpunkt in seinem Leben. Eine Entwicklung sollte jedoch, genauso wie der Charakter selbst, nachvollziehbar und auch aus demselben ableitbar sein. Außerdem sollte sie nicht sprunghaft erfolgen. Eine nachvollziehbare Charakterentwicklung vollzieht sich stufenmäßig und kleinschrittig und der ursprüngliche Charakter sollte immer wiedererkennbar sein. So zwingen Naruto einige Situationen, die er während seiner Kindheit und Jugend erlebt, zu schwierigen Entscheidungen und lassen ihn erkennen, dass überlegtes Handeln sowie das Hinterfragen der eigenen Gefühle manchmal notwendig ist. Dadurch behält der erwachsene Naruto seine verspielte, impulsive und direkte Art bei, schafft es jedoch trotzdem, ernst zu bleiben, sein Temperament zu zügeln und sich zu konzentrieren, wenn es die Situation erfordert.

 

Charakterveränderung

 

Wenn sich ein Charakter entscheidend verändern soll, (z.B. die Seite wechseln), muss das ebenfalls nachvollziehbar sein. Wenn ein Verbündeter zum Gegner oder ein Gegner zum Verbündeten werden soll, sollte das wie bei der Charakterentwicklung kleinschrittig erfolgen, der Charakter sollte im starken Konflikt mit sich selbst stehen und/oder Rückblenden in die Vergangenheit sollten den Rückschluss auf eine derartige Entwicklung bieten. Bei Naruto werden (vermutlich aufgrund der großen Anzahl von Rivalen und Feinden) alle drei Möglichkeiten umgesetzt. Gaaras Vergangenheit erinnert ihn daran, dass es Gutes gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt, Sasukes Vergangenheit treibt ihn zum inneren Konflikt und dazu sich zwischen Freundschaft und Rache zu entscheiden und Pains Geschichte zeigt auf, wie ein rechtschaffender Junge aufgrund von prägenden Erfahrungen immer mehr den Glaube an die Welt und die Hoffnung auf Frieden verlieren und sich daher für das falsche Mittel entscheidet, um letztlich einen Frieden durch Leid zu erzwingen. Erst nach wiederholter Reflexion über die Ereignisse ihrer Vergangenheit, können Gaara, Sasuke und Pain, mit Hilfe von Narutos Empathiefähigkeit und Überzeugungssicherheit, ihre Fehler einsehen und ihre Ansichten ändern.

 

Schlusswort

 

Ich hoffe, dass ich mit dieser kurzen Analyse, Anregungen für gute Charaktere einer Geschichte geben konnte und würde mich freuen, wenn ihr jetzt Lust habt, einige Tipps in eigenen Geschichten umzusetzen oder anhand meines Beispiels selber wichtige Aspekte eurer Lieblingsserie herauszuarbeiten, die ihr anschließend als eigene Schreibtipps verwenden könnt. Doch egal für welche Charaktereigenschaften, Entwicklungen oder Veränderungen ihr euch am Ende entscheidet, versucht den Figuren die Transparenz von Erfahrungen und den in besonderen Situationen erlebten Gedanken und Gefühlen zu verleihen, die uns im Alltag nicht gegeben wird, aufgrund dessen wir im Leben oft voreilige Schlüsse ziehen und Menschen falsch einschätzen, zeigt in euren Szenen die Einstellungen, Absichten und Handlungen der Figuren, die sie nachvollziehbar machen und helft damit wie Naruto zu erkennen, dass wir alle komplexe Wesen sind, die nicht einfach in Schubladen gesteckt werden können. (gepostet: 13.3.2020)