Die Idee, zu einer Idee, für eine Idee – Wenn eine Idee eine Kettenreaktion auslöst

 

Ein Gastbeitrag von Angela Pehl

 

Angela Pehl studiert Anglistik und Germanistik an der Universität Duisburg-Essen und hat zum ersten Mal an einem Schreibseminar teilgenommen. Als kleine Albernheit begann ihr Schreiben, das aber inzwischen zu einem ambitionierten Hobby geworden ist. Unter anderem auf langen Spaziergängen durch Buchhandlungen und beim Kraftraining schwirren ihr stets viele Ideen im Kopf herum, die sie zuhause regelmäßig zu Geschichten macht. Zur Zeit arbeitet sie an einer Geschichte über Selbstliebe und betreibt außerdem auf Instagram einen Buchblog namens Avery Day Reads.

 

 

 

Ideen vorweisen zu können, ist für eine schreibende Person ein wahrer Schatz, der oft den Schreibprozess erst ins Rollen bringt. Denn ohne eine Idee, für die es sich lohnt, viele mühsame Stunden zu investieren, gibt es auch keine Gedanken, die man in Worte, Sätze, ganze Romane verpacken kann.

 

Den Funken zu einer Idee wollen doch alle, wenn sie sich an den Schreibtisch setzen und mit der Rohfassung ihres Manuskripts beginnen. Vielleicht wird aus einem Funken schnell ein Lagerfeuer, bei manchen wird es etwas dauern, bis der Funken richtig auf das Holz schlägt und es zum Lodern bringt. Aber was passiert, wenn ein einzelner kleiner Ideenfunken ein ganzes Fegefeuer entfacht, das sich kaum stoppen lässt?

 

Es ist oft nicht leicht, eine Idee, so banal sie auch erscheinen mag, wieder zu verwerfen. Vor allem nicht, wenn einem kurz nach Entfachen des Ideenfunkens die Namen der Charaktere, ihr Aussehen, der grobe Plot und ein wichtiger Plot-Twist durch den Kopf rasen und sich nach einem stetigen Hin-und-her-Schieben der Puzzleteile schließlich ein langsam erkennbares Bild ergibt. Et voilà, hat man seine grobe Outline – für die zweite, verarbeitungswürdige Idee, die einem in den letzten sieben Tagen eingefallen ist. Zwei Ideen mehr, die unter den sechzig bereits existierenden Entwürfen gespeichert werden, die unbedingt noch geschrieben werden müssen, weil sie alle aus Ideen entstanden sind, die es würdig sind, in einen Roman verwandelt zu werden.

 

Die Folge ist also eine Ideenüberschwemmung, die das Fegefeuer der neuen Ideen für den Moment löscht, die aber auch dafür sorgt, dass einem das Wasser langsam bis zum Kopf steigt, wodurch das Ende dieser Sintflut – oder anders gesagt, dieser immer nachkommenden Ideen – nicht mehr in Sicht ist. Da hilft nur eines: Schwimmen. Aber wohin, wenn es nun zweiundsechzig Möglichkeiten gibt, an Land zu kommen und sich dort vor der Flut zu retten, bis sie wieder abschwächt? Die einfachste Antwort wäre, sich auf die nächstgelegene Ideeninsel zu retten, doch jeder, der schreibt, weiß, dass Ideen nicht einfach so auserkoren werden. Man sucht sich also die Insel, die am ansprechendsten ist, und wechselt gegebenenfalls zwischen dieser und einer (oder mehreren) hin und her. Langsam geht die Flut zurück, da man sich endlich an mindestens eine seiner Plot-Ideen gesetzt hat, um eine Geschichte auf Papier entstehen zu lassen.

 

Doch was macht man, wenn der nächste Funken droht, ein Feuer zu entfachen und die Flut an Ideen einen erneut überrennt? Jetzt kommt nämlich die eigentliche Schwierigkeit: Prioritäten setzen und sich Pläne erstellen, wann man für welche Geschichte Zeit hat und welche eben warten muss. Dennoch lässt sich nicht alles planen. Die Idee, die man zuvor hatte, verwandelt sich vielleicht in eine ganz andere und damit entfacht die entstehende Geschichte vielleicht eine andere Wirkung, als vorgesehen war.

 

Was man in so einem Fall tun kann, ist, sich Notizen zu erstellen, vielleicht nur mit einer Titel-Idee oder einer klaren Szene, die einem in den Sinn kommt, einen Gesprächsfetzen oder auch nur einem bestimmten Vibe, der durch die Geschichte getragen werden soll. Das wichtigste ist, eine Idee vorerst abzuladen und das geht natürlich am besten – zumindest in den meisten Fällen - beim Niederschreiben. Ideen zu verwerfen, die sich sicherlich gelohnt hätten, macht alles nur noch schlimmer. Da hat man sie einmal gelöscht, denkt man plötzlich, man könnte sie in eine gerade laufende Geschichte mit einbauen. Doch dann ist sie weg, weil man die eine Gedankenschublade geleert hat, um Platz für neue Ideenordner zu schaffen.

 

Eine andere gute Methode wäre, Ideen, die sich ähneln oder vielleicht sogar im ersten Moment auszustechen scheinen, zu fusionieren und etwas Größeres, Atemberaubenderes oder Ganzes daraus zu machen. Oft steht eine neue Idee alleine da und es muss unbedingt ein eigenes Werk daraus entstehen, aber viele Story-Ideen können in Kombination eine unglaubliche Ideen-Konstellation ergeben, die plötzlich einfach viel mehr Sinn ergibt als die ursprünglichen Ideen im Alleinstand. Das funktioniert natürlich nicht immer mit allen Ideen, aber die Entwurf-Folder können doch um einiges minimiert werden und im besten Fall zieht sich die Flut der angesammelten Ideen zurück und die sprühenden Ideenfunken feuern bereits existierende Ideen weiter an.

 

Es ist eben eine Sache des Sortierens, Zuordnens und Planens, wie man mit seinem Ideen-Überfluss umgeht, um ihn in Schach zu halten oder aber richtig einzusetzen, ihn dorthin zu lenken, wo man ihn haben will, um damit Ideen weiterzuentwickeln und nicht nur Fegefeuer und Sintfluten im Wechsel entstehen zu lassen, sondern vor allem neue Welten zu erschaffen. Es kann im ersten Moment überwältigend sein, wenn die Welle der Ideen über einen einschlägt, aber wenn man lernt, sie zu surfen, bringen die ständigen Ideen einen wahren Adrenalinkick mit sich, der einen für einen Moment – und viele folgende Momente – wie eine unbezwingbare, schreibende Gottheit fühlen lässt. (gepostet: 9. März 2022)