Once upon a time ... in Hollywood (Filmstart: 15.8.2019)

Quelle: www.filmstarts.de
Quelle: www.filmstarts.de

Quentin Tarantino ist eine der Marken unter den Regisseuren Hollywoods. Seine Filme gehören alle in ein Genre, das seinen Namen trägt, mehr kann man wohl als Künstler nicht erreichen. Vom Kult-Regisseur in den 90ern hat er sich mit besonders mit „Inglourious Basterds“ zum Filmemacher entwickelt, der für keine Party mehr eine Einladung braucht, inklusive Oscar-Auszeichnungen und allem, was dazu gehört. Alles erreicht, könnte man meinen. Aber umso schwerer ist es, die alten Erfolge, die schnell zu Altlasten werden, abzustreifen und etwas Neues zu machen, ohne das Etablierte zu verleugnen. Die Kritiken sind eigentlich mit Phrasen wie „ist eher wieder Film xy“ oder „wie Film soundso“ von ihm bereits vorgeschrieben. In gewisser Hinsicht ist er somit auch die ärmste Sau unter den Regisseuren. Mit seinem neuen Film „Once upon a time … in Hollywood“ scheint sich nun dieses Bewusstsein zum ersten Mal wirklich auszudrücken.   

 

Tarantino hat besonders zwei Merkmale in seinen Filmen etabliert: erstens ein Hang zu abstrusen Dialogen und oft gezielt eingesetzter Brutalität, zweitens ein gepflegtes Nerdtum, das von Anspielungen auf andere Filme, Genre und sonstigen Kulturerscheinungen lebt. Ein Film über Hollywood im Jahr 1969 erscheint da als eine brillante Idee, etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner aller maßgeblichen Tarantino-Zuschauer, insbesondere der Kritiker. Am Beispiel Robert Hofmann konnte man sehen, dass es funktioniert. Der überschlug sich förmlich vor Lob für die Atmosphäre des Films, die ganzen filmischen und auch technischen Anspielungen und erklärte den Film sinngemäß zu einem wahren „Nerdvana“, um mal den Ausdruck einer bekannten Serie zu verwenden.

 

Aber es gibt da ja auch noch die gewöhnlichen Zuschauer, zu denen ich mich zählen würde. Ich verstehe die ganzen Anspielungen nicht, ich kenne den Unterschied zwischen 35mm-Film und Digitalkopie nicht, ich weiß auch nicht viel über Hollywood 1969, die Hippiekultur oder Charles Manson, der im Film eine Rolle spielt. Ich will in eine Geschichte hineingezogen und von ihr mitgerissen werden, unabhängig von meinem Vorwissen. Für mich ist der abstruse Witz in „Pulp Fiction“ viel attraktiver, als die Eastern-/Western-Hommage in „Kill Bill“ oder die Umsetzung eines historischen Themas in „Basterds“. Und für mich schießt der „neue Tarantino“ in dieser Hinsicht leider an seinem Ziel vorbei.

 

Ohne zu viel spoilern zu wollen (obwohl der Film ja auch schon seit einigen Wochen läuft), kann ich die Story in wenigen Worten zusammenfassen: Drei Handlungsstränge erzählen von dem gefeierten Western-Schauspieler Rick Dalton (Leonardo DiCaprio), dessen Karriere am Scheideweg steht, seinem Stuntman und „Mädchen für alles“ Cliff Booth (Brad Pitt), der in ominösem Kontakt mit der „Manson-Familie“ gerät, sowie dem bekannten Regisseur Roman Polanski und seiner Frau Sharon Tate, die gerade als gefeierte Stars nach Hollywood gezogen sind.  Mehr sollte man über die Handlung nicht wissen, wenn man den Film einigermaßen unvoreingenommen sehen will.

 

Natürlich ist den meisten Menschen bekannt, dass Polanskis Frau am 9. August 1969 von Mitgliedern der „Manson-Familie“ brutal ermordet wurde. Dieses Wissen begleitet den Film und macht tatsächlich auch einen nicht geringen Teil der Spannung aus. Darüber hinaus hat sich der Altmeister in seinem 9. Film darauf beschränkt, Hollywood ein Denkmal zu setzen, das viel diskutiert werden kann (und wird), weil es nur in wenigen Momenten wirklich konkret ist. Das mag für Intellektuelle und für jene, die sich dafür halten, ein wahres Fest sein, der gewöhnliche Zuschauer bleibt leider ein wenig auf der Strecke. Wo Tarantino in „Basterds“ oder in „Django Unchained“ noch frei über Nazis und Sklavenhalter verfügen konnte und sie nach Belieben durch den Fleischwolf drehte (weil sie eben keine für ihn relevante Zielgruppe sind), packt er Hollywood und seine Geschichte eher mit Samthandschuhen an. Er gibt „seinen“ Stars DeCaprio und Pitt jede Menge Raum, um sich zu entfalten, was sie auch tun und das durchaus bemerkenswert. Aber die aufwendig inszenierten Szenen selbst führen allzu oft zu keinem Ergebnis, die Dialoge bleiben deutlich hinter der Qualität anderer Filme zurück (selbst „Death Proof“ oder „Jackie Brown“). Irgendwie fehlen der Biss, die Zähne und die Klauen. Man hat im Nachhinein das Gefühl, dass Tarantino einen Film für alle machen wollte, denen die Zeit Hollywood 1969 etwas bedeutet, wollte sie in friedlicher Eintracht in den Kinosälen versammeln und genauso auch wieder entlassen. Der Rest der Zuschauer bleibt ein wenig außen vor.

 

Wer am Ende des Films interessiert ist, kann ihn sich ruhig im Kino ansehen oder es einfach bei Wikipedia nachlesen. Wer mit viel Fachwissen ausgestattet auf die Jagd nach Anspielungen und sonstigen „Easter Eggs“ gehen will, ebenso. Aber als großes Kinovergnügen würde ich „Once upon a time … in Hollywood“ nicht empfehlen. Früher trugen die Filme Tarantinos Namen, hier trägt der Name den Film, der ansonsten bei weitem nicht so viel zu bieten hat, wie andere, wesentlich harscher kritisierte Machwerke dieses Jahres. Es ist zwar noch zu früh für Retrospektiven, aber leider hinterlässt „Once upon a time“ den Eindruck, als habe Tarantino seine besten Filme bereits gedreht. (gepostet: 16.9.2019)