Voll verschleiert

Auch das Kinojahr 2018 hat für mich nun begonnen und zu Anfang durfte ich mich einmal mehr bestätigt fühlen in meiner Vorliebe für französische Filme, zumindest jene, die auch hier, meistens nur ein, zwei Wochen, gezeigt werden. Ich gehöre wahrscheinlich zu der Minderheit der Menschen die bei dem Begriff französische Komödie nicht sofort an die alten Louis-de-Funes-Filme denkt, sondern an die Produktionen der letzten Jahre. Dabei fiel mir immer wieder positiv auf, dass man bei unseren Nachbarn gerade mit bei uns brisanten Themen spielerischer, leichtlebiger und humorvoller umgeht als hierzulande. „Ziemlich beste Freunde“ war so ein Beispiel, „Plötzlich Papa“ ein zweites und auch bei „Voll verschleiert“ hat sich dieser Eindruck nicht gewandelt.

 

Der Student Armand hat nicht nur iranische Wurzeln, sondern auch eine moslemische Freundin namens Leila, mit der er demnächst in den USA studieren gehen will. Seine Eltern sind zwar Flüchtlinge der islamischen Revolution und als solche marxistisch-leninistisch (Vater) und feministisch (Mutter) geprägt, dennoch besteht seine Mutter darauf, ihm selbst eine Braut auszusuchen. Daher muss er seine Beziehung geheim halten. Die Situation verschärft sich, als Leilas Bruder Mahmoud aus dem Jemen als fundamentalistischer Moslem zurückkehrt und darauf besteht, dass seine Schwester von nun an zuhause bleibt und einen von ihm zugewiesenen „Bruder“ heiratet. So fasst Armand einen Plan: Er verkleidet sich als die verschleierte Moslemin Scheherazade und besucht Leila regelmäßig, um ihr angeblich Islam-Unterricht zu erteilen, mit der Folge, dass Mahmoud sich in „sie“ verliebt und unbedingt heiraten will. Dazu scheint ihm jedes Mittel recht.

Im Verlauf dieses Films geht man als Zuschauer eigentlich durch drei Phasen der Emotion, die alle für sich schon faszinieren. Der Beginn ist ziemlich finster, ganz untypisch für eine Komödie, in der man einen Einblick in das Leben und die Hintergründe der Familien von Armand und Leila bekommt. Sobald die „Maskerade“ beginnt, gibt es viel zu lachen und hier spielt auch dieser französische Film eben jene Stärken aus, die ich in deutschen Produktionen oft so sehr vermisse. Denn er schafft es, das Individuelle der Figuren in den Vordergrund zu rücken, sie mit ihren persönlichen Hintergründen in Einklang zu bringen. Niemals spürt man das Anliegen, dem Zuschauer über die Figuren irgendein gesellschaftliches Problem interkultureller Natur ins Gesicht zu reiben. Es ist einfach komisch und die Lage spitzt sich noch weiter zu, wenn Armands Mutter glaubt, jene verschleierte „Frau“ sei eine Spionin des iranischen Regimes, die hinter ihr her ist. Am Ende, und das ist die dritte Phase der Emotion, bemerkt man, wie wenig diese ganzen Komplikationen mit irgendeiner Glaubensrichtung und wie viel sie eigentlich mit dem Mensch sein an und für sich zu tun haben. Und wer will, findet in diesem Film ebenso eine wunderbare Message im Hinblick auf die Diskussion, welche Beziehung eigentlich Religion und Fundamentalismus haben, denn Mahmoud findet die Antworten auf die Fragen seines Lebens nicht etwa in seinen Überzeugungen, sondern in den Worten seiner „Geliebten“, die er immer mehr lernt, von den Wirren extremer Glaubensauslegung zu unterscheiden. Somit hat „Voll verschleiert“ am Ende eigentlich nur Helden.

Der Film ist für mich absolut sehenswert, nicht einfach nur eine Komödie, sondern neben seinem aberwitzigen Humor eben auch einfühlsam und emotional durchaus tiefgründig. Schaut ihn euch an, es lohnt sich!