An der Umsetzung des Themas „Psychiatrie“ in Romanen und Filmen habe ich nicht zuletzt dank meiner Arbeit auf einer geschlossenen Station ein ureigenes Interesse. Selten gibt es da wirklich Erbauliches zu vermelden. Psychische Krankheiten und deren Behandlung sind auch heute noch mit einer ganzen Reihe von Vorurteilen behaftet, die selten auch nur ansatzweise hinterfragt werden. Vielmehr fallen Autoren und Produzenten in der Regel in dämonisierende Darstellung von Patienten und Anstalten zurück. Der Regisseur Steven Soderbergh (Out of sight, Oceans 11) beschäftigt nun diese Woche die Kulturteile der Gazetten mit seinem neuen Film „Unsane – Ausgeliefert“. Hervorstechendes Thema ist der Umstand, dass er den Film angeblich komplett mit einem I-Phone gedreht hat, was allenthalben gelobt wird, da es eine dichte und beklemmende Atmosphäre kreiere. Dieser Umstand ist mir reichlich egal. Mich interessiert in erster Linie, wie der Film mit seinem Thema umgeht.
Als die von der Verfolgung eines Stalkers traumatisierte Karrierefrau Sawyer Valentini (Claire Foy) sich in ihrer Not an einen Psychiater wendet, muss sie nicht nur feststellen, dass sie gegen ihren Willen in einem geschlossenen Krankenhaus festgehalten wird, sondern auch, dass ihr Peiniger sich in das Personal eingeschleust hat und sie ihm nun ausgeliefert ist.
So, das ist die Handlung. Fast bis zum Ende. Ich will gar nicht lange drum herum schreiben. Zieht man diese ganzen Diskurse um das I-Phone einmal ab, bleibt von dem Film nicht viel übrig. Von einer drückenden Atmosphäre habe ich nichts gesehen. Spannung kommt so gut wie gar nicht auf. Dafür jede Menge Logikprobleme in der Handlung, was bei dieser Kürze schon bemerkenswert ist. Ich will auf zwei einmal kurz eingehen.
Erstens der Umstand, dass Sawyer in dem Krankenhaus gefangen gehalten wird. Angeblich macht die private Klinik das wegen des Geldes von der Versicherung, was in Zeitungen gerne als Kritik an der „Zweiklassengesellschaft“ des amerikanischen Gesundheitssystems gesehen wird. Dabei frage ich mich: Ist es im US-Bundesstaat Pennsylvania tatsächlich möglich, dass ein Mensch ohne Richter und Gerichtsbeschluss in einer solchen „Anstalt“ gefangen gehalten wird? Ich kann es mir kaum vorstellen, aber wenn das so ist, dann hat die USA ganz andere Probleme mit ihrem Gesundheitssystem als die Zweiklassengesellschaft. Bei uns wäre das in jedem Fall rechtlich nicht möglich, aber ich lasse mich in dieser Hinsicht gerne eines Besseren belehren. Dass ein Mensch mit einem emotionalen Problem einfach so seine geistige Gesundheit abgesprochen bekommen kann, halte ich aber doch mehr für eine allgemein verbreitete Angst, die aus Unwissenheit über die Rechtslage resultiert.
Zweitens der Umstand, dass der Stalker zwischenzeitlich Sawyers Mutter umbringt, die ihr zur Hilfe kommen will. Er plant den Mord kaltblütig. Aber wozu? Sawyer ist wohl ohnehin auf Betreiben des Krankenhauses gefangen (siehe oben). Ihre Mutter kann gar nichts dagegen tun. Also warum sie umbringen? Es ist so ein zweites, weit verbreitetes Vorurteil, dass psychisch kranke oder besessene Menschen nicht ebenso wie jeder andere aus einer inneren Logik heraus handeln. Sein Handeln folgt keiner Logik. Er scheint einfach nur verrückt.
Aber selbst wenn man diese Ungereimtheiten vernachlässigt, "Unsane" überzeugt in keinem Punkt, auf den es bei einem Film ankommt. Handlung: schwach. Figuren: profillos. Atmosphäre: wenig. Spannung: null. Soderbergh ist lediglich eine Sache gelungen: den I-Phone-affinen Teil der Pressegesellschaft mit einem simplen Trick von alldem abzulenken. Denn es ist nicht so, dass diese Schwächen in den Reviews nicht erwähnt werden, aber eben nur in einem Nebensatz. Für mich ist das die Hauptsache. Ob die Bilder nun von einem I-Phone oder einer normalen Kamera stammen, ist für den Film wirklich egal, denn auf die Kameraführung hat das keinen erkennbaren Einfluss, wie z. B. bei den Found-Footage-Horrorfilmen. Übrig bleibt ein Film, der weder das Eintrittsgeld noch die Lebenszeit wert ist. Für mich ein Flop auf der ganzen Linie. (gepostet: 30.3.2018)