1996-2019: The Road to

2014-2018


2014-2016: Viele Träume, wenig Schrott

At Dawn They Sleep war gerade zum Lektor gewandert, als ein großartiger Vorschlag wiederum meine Pläne zum Psychiatrie-Roman durchkreuzte. Die Krefelder Theaterregisseurin Yvonne Keßel kam auf mich zu mit der Frage, ob ich etwas zu einem von ihr geplanten Theaterprojekt namens „Die Relativitätsfalle“ beitragen würde. Ich wusste bereits aus Erfahrung, dass Drehbücher mir nicht unbedingt leicht von der Hand gehen, also sagte ich ihr nur, ich hätte ein paar Kurzgeschichten von früher, allerdings in Rohfassung. Ob sie einen zusammenhängenden Titel hätten, fragte sie, und ich nannte ihr den einzigen, der mit gerade so einfiel: „Tagschläfers Traumschrott“. Ursprünglich wollte ich einen Blog von mir so nennen, der aber nie zu Stande kam. Sie schrieb, das erste Wort gefiele ihr nicht, aber „Traumschrott“ klinge gut und ob ich nicht noch ein paar Geschichten mehr schreiben könne. Ich sagte zu, 10 Kurzgeschichten in 10 Wochen abzuliefern, jede Woche eine. Ich überarbeitete die alten und fügte neue hinzu wie „Dämonen“, „Das Museum“, „An der Ecke“ und „Der Eremit“, der einem Whikings-Song entsprungen war. Es war eine sehr intensive, aber auch sehr schöne Arbeit, so dass ich bereits nach 7 Wochen 10 Geschichten bei Yvonne abgeliefert hatte.

 

Dann folgte eine großartige Erfahrung. Yvonne schieb 5 der 10 Geschichten für die Theaterbühne um und probte sie mit einem kleinen Ensemble. Einmal durfte ich bei den Proben dabei sein und das Gefühl, wenn die eigenen Figuren plötzlich so zum Leben erwachen, ist einfach unbeschreiblich. Im Ergebnis sollte es eine Open-Air-Veranstaltung geben an einem Tag, an sechs verschiedenen Orten in der Krefelder Innenstadt. Leider gab es am Tag zuvor eine Sturmwarnung und die Veranstaltung wurde abgesagt. Sie sollte nachgeholt werden, aber ein Streit zwischen dem Kulturverein und der Stadt Krefeld, ich glaube es ging um nicht einmal 100 Euro, sorgte dafür, dass die Veranstaltung komplett ins Wasser fiel. Ein paar Tage lang war ich wirklich am Boden zerstört. Für die Schauspieler, die wirklich großartig waren, tut es mir bis heute Leid.

 

Inzwischen war aber At Dawn They Sleep erschienen und der Cover-Künstler Björn Gooßes hatte direkt für eine weitere großartige Erfahrung gesorgt, indem er meine Vision der Geschichte auf das Cover bannte, das wahrscheinlich auf ewig mein Lieblingsbuchcover bleiben wird. Ich machte viele Lesungen mit dem Buch dank der großartigen Hilfe von Norma Schreiber, die mir viele Kontakte ermöglichte und mir viel Arbeit abnahm, darüber hinaus kam ich aber endlich dazu, ein paar Szenen für einen Psychiatrieroman zu schreiben.

 

Vielleicht könnte man jetzt den Eindruck bekommen, ich ließe mich zu sehr ablenken. Aber irgendwie war es in diesen Situationen immer ein Gefühl, das mir sagte, es wäre gut, ein Angebot wahrzunehmen. So auch im Frühling 2014, als ich einen Anruf von einem gewissen Holger Klimannel erhielt, ob ich eine Biografie über die Band „Morgoth“ für seinen Verlag Edition Roter Drache schreiben würde. Deren Sänger Marc Grewe hätte mich empfohlen. Von so viel Schmeichelei umgarnd musste ich mir eingestehen, dass ich ohnehin noch eine Bandbiografie schreiben wollte, denn das war das letzte, was mir im Bereich Heavy Metal noch fehlte. Also begann ich erneut in die Metalszene einzutauchen und auf einem Grillabend bei Morgoth-Gitarrist Harry Busse lernte ich dann jenen Holger kennen, der mir den Auftrag gegeben hatte. Auch wenn das Ende dieser Arbeit wegen des Rauswurfs von Marc Grewe etwas chaotisch verlief, ich hatte dennoch wieder ein wenig Zeit, an dem Psychiatrieroman zu schreiben.

 

In diese kleine schriftstellerische Idylle platzten dann die beiden Mädels von unserem damaligen Uni-Studenten-Café „KKC“ mit der Idee, ich solle doch bei einem Science Slam mitmachen. Das tat ich dann auch und es hat mir so gut gefallen, dass ich danach noch ca. 50 weitere Male für den Science Slam auf der Bühne stand, mit dem Höhepunkt der deutschen Meisterschaften 2015 im ausverkauften Dortmunder Konzerthaus. Außerdem fragte mich Holger, ob ich nicht während der Leipziger Buchmesse 2015 Lesungen machen wolle. Ich sagte ihm, dass ich nicht aus dem Morgoth-Buch lesen möchte und er antwortete nur: „Dann nimm doch Deinen Roman“.

 

Also kam ich tatsächlich noch mit At Dawn They Sleep nach Leipzig und las zum ersten Mal im „Dark Flower“, ein Laden, der für mich fortan richtig heimisch werden würde, weil ich seitdem fast jedes Jahr während der Buchmesse dort gelesen habe. Dort und zu anderen Lesungen, wie auf der „Nocturnal Culture Night“ oder dem „Wave Gothic Treffen“, die mir allesamt Holger ermöglichte, lernte ich Autoren wie Luci van Org, Anja Bagus, Axel Hildebrandt oder Christian von Aster kennen, allesamt großartige Schreiber und großartige Menschen und zum ersten Mal fühlte ich mich dort angekommen, wo ich hingehörte: bei den Geschichtenerzählern.

 

Während ich also auf den Slam- und den Lesungsbühnen jede Menge Erfahrungen sammelte, fragte Holger auch mehr oder weniger beiläufig, ob ich nicht noch etwas hätte, was ich gerne veröffentlichen möchte. Ich dachte an die Kurzgeschichten, die ich für das Theater geschrieben hatte, die aber dann nie aufgeführt wurden, und schlug sie ihm unter dem geläufigen Titel Traumschrott vor. Er willigte ein. Björn Gooßes sorgte abermals für ein geniales Cover.

 

So kam ich also 2016 wieder ins „Dark Flower“, dieses Mal mit neuem Buch und schaffte es so langsam, meine Geschichten mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Denn so sehr ich Metalfan bin, ein Metalautor wollte ich nicht mein Leben lang bleiben. Traumschrott war dafür ideal, denn ich konnte auf Lesungen immer ganze Geschichten lesen, die das, was ich schreibe und schreiben will, gut illustrierten. Nur mein Psychiatrie-Roman existierte bislang nur auf einige Seiten, in einigen Szenen, fragmentiert, ohne Handlung, ein paar Erinnerungsfetzen. Aber nach Traumschrott sollte seiner Fertigstellung nun wirklich nichts mehr im Wege stehen...

 


2016-2018: Die Pforten öffnen sich ...

Aber es kam doch noch was: Noch bevor Traumschrott komplett fertig war, fragte ich anlässlich meiner Lesung auf der „Nocturnal Culture Night“ meine liebe Freundin und geschätzte Autorenkollegin Anja Bagus, ob ich zu ihrer geplanten Anthologie „Mütter“ etwas beisteuern dürfte. Sie sagte zu und ich schrieb die Geschichte „Das wundersame Bild“, mit der ich zum ersten Mal meine Vorstellung von einer zeitgemäßen Art von Fantastik umsetzte. Große Fantasy-Entwürfe und die Erschaffung von kompletten Welten sind nicht so meiner Sache, viel mehr fasziniert mich, in unserer Welt, in den verstecktesten Winkeln unserer Wahrnehmung, Zauber zu entdecken. Unsere Umwelt könnte voll von Magie sein, wir würden es nicht einmal bemerken und genau diese Art von Magie wollte und will ich zum Thema von Geschichten machen. Die Anthologie, in der viele bemerkenswerte Autoren wunderbare Geschichten zum Thema „Mütter“ schrieben, erschien zeitgleich mit Traumschrott und war mein allererster Beitrag dieser Art, auf den ich bis heute sehr stolz bin.

 

Schon als ich meinem Verleger Holger Traumschrott zur Veröffentlichung vorschlug, sagte er, dass Romane gewöhnlich besser gehen als Kurzgeschichten. So war es also endlich an der Zeit, mit Gedanken über einen Roman zu machen und natürlich kam ich auf die Geschichte mit der Psychiatrie zurück. Ich schrieb, wie ich es immer mache, einige „Probeszenen“, die mir eine erste Idee von der Atmosphäre der Geschichte geben sollten. Allerdings war ich 2016 sehr stark in meinen Beruf eingebunden, so dass es erst einmal dabei blieb. Im Sommer dann folgten in kürzester Zeit zwei Ideen, eine von Holger, eine von meiner ebenso geschätzten Autorenkollegin Isa Theobald.

 

Holger riet mir, für einen Literaturwettbewerb eine Geschichte zu schreiben. So überlegte ich, welches Thema der Gegenwart mir möglicherweise nah genug wäre, und kam auf die Flüchtlingsdebatte und meine Berufserfahrung mit vielen Studenten mit Migrationshintergrund an der Uni. In der hitzigen Atmosphäre des Jahres 2016, so war mein Eindruck, wurden immer mehr Menschen zu Ausländern und Flüchtlingen abgestempelt allein auf Grund der medialen Berichterstattung und so schrieb ich die Geschichte „Das Lächeln der Sphinx“, die sich damit auseinandersetzte. Den Preis habe ich zwar nicht bekommen, aber Holger mochte die Geschichte sehr und so beschloss ich, damit noch einmal etwas zu machen.

 

Isa Theobald schlug mir vor, für ihre Anthologie „Auf fremden Pfaden“ eine Geschichte zu schreiben, die Horror- und Erotikelemente enthalten sollte. Als ausgesprochener Fan von H. P. Lovecraft sind Horrorgeschichten eine heimliche Leidenschaft von mir, und ich war begeistert darüber, endlich einmal etwas in diese Richtung schreiben zu dürfen. Wenn es um Grusel und Horror geht, taucht in meinen Geschichten immer wieder die „Alraune-Gesellschaft“ auf, die für mich das Bindeglied all solcher Erzählungen ist, weil sie, mehr möchte ich nicht verraten, über parawissenschaftliche Kenntnisse bezüglich des menschlichen Geistes und des Jenseits verfügt und „übernatürliche“ Erlebnisse nicht nur sammelt, sondern ihre Mitglieder auch dazu zwingt, sie zu erleben. Im Fall der Geschichte „Das seltsame Verschwinden des Peter Johan Wagner“, die ich für Isas Anthologie schrieb, nahm ich meine Vorstellung zum Ausgangspunkt, dass es möglich ist, einen Menschen mittels eines bestimmten Rituals in einer Zeitschleife gefangen zu halten und ihn für eigene Zwecke zu benutzen. Ich liebe diese Geschichte heute nicht weniger als damals, besonders wegen ihres Endes, das auf eine, wie ich finde, besondere Art und Weise die „vierte Wand“ durchbricht.

 

Aber dann, nachdem auch diese Geschichte geschrieben war, machte ich mich endlich an das Manuskript für den Psychiatrie-Roman. Anfang 2017 las, recherchierte und „plottete“ ich wie verrückt, nahm Erinnerungen zusammen, schrieb weitere "Probeszenen" und dachte mir eine Geschichte aus, die zu den Psychiatrieerfahrungen, die ja nun schon fast 20 Jahre her waren, passte. Die erste Fassung des Manuskripts war im Juli 2017 soweit fertig. Da ich naturgemäß danach eine schöpferische Pause brauchte, bemühte ich mich darum, irgendeine Zeitschrift zu finden, die vielleicht meine Geschichte „Das Lächeln der Sphinx“ veröffentlichen würde, mit dem Ergebnis, dass sie für sämtliche literarischen Organe viel zu lang war. Da ich sie aber nicht kürzen wollte, setzte ich zur Flucht nach vorne an und erweiterte sie in der zweiten Hälfte des Jahres zu einem Romanmanuskript, das ebenfalls den Titel „Das Lächeln der Sphinx“ trägt. Wohl vermutend, dass das Thema irgendwann an Aktualität verlieren würde (und zugleich befürchtend, dass das nicht so schnell passiert), wollte ich damit dann auf Verlagssuche gehen. Auch dachte ich darüber nach, mich mit meinem Psychiatrieroman bei unterschiedlichen Verlagen zu bewerben, hatte also gewissermaßen zwei Eisen im Feuer.

 

Dazwischen kam im Herbst eine Anfrage von niemand geringerem als Christian von Aster, ein Autor, dessen Begabung seine Berühmtheit turmhoch überragt, auch wenn seine Berühmtheit weiß Gott nicht unerheblich ist. Er wollte, dass ich eine Geschichte zu seiner Anthologie "Boschs Vermächtnis" über das berühmte Werk „Der Garten der Lüste“ des Malers Hieronymus Bosch beitrage und dieses Gefühl mit einem Ritterschlag gleichzusetzen, empfinde ich auch heute noch nicht als untertrieben. So verbrachte ich die letzten Monate des Jahres 2017 damit, meine Geschichte „Ein Tor zur Hölle“ zu schreiben, die eigentlich wieder die Alraune-Gesellschaft zum Thema haben sollte, was aber letztlich nicht zu ihrer Erwähnung führte. Die Geschichte ist zudem der Versuch, mich mit einer Erzählgattung zu schlagen, die ich eigentlich weiträumig umfahren wollte, nämlich der des „Historischen Romans“ bzw. in diesem Fall der „Historischen Kurzgeschichte“. Ich bin immer noch sehr glücklich mit der Geschichte und stolz darauf, in dieser Anthologie meinen Namen zu lesen.

 

So stand ich also Anfang 2018 mit meinen zwei Eisen, also meinen zwei Manuskripten da und ich gebe zu, zunächst war die „Sphinx“ mein Favorit und der Psychiatrieroman, dem ich den Arbeitstitel „Heaven 11“ gab, eher an zweiter Stelle. Doch dann gab es ein Erlebnis, das alles änderte, und es hatte wieder einmal mit dem Verlag Edition Roter Drache zu tun, mit dem Verleger und mit den zahlreichen Autoren, die zusammen ein unglaublich inspirierendes Umfeld bieten für einen Autor wie mich, der noch eine Menge zu lernen hat. Meine zahlreichen Lesungen gemeinsam mit der preisgekrönten Autorin Luci van Org mögen dafür nur als einer von zahlreichen Belegen stehen.

 

Im März 2018 gab es wieder Lesungen im „Dark Flower“ während der Leipziger Buchmesse. Aus terminlichen Gründen las an jenem Freitag als erster von insgesamt vier Autoren Axel Hildebrandt, hauptberuflich Drehbuchautor für zahlreiche Fernsehserien und nebenbei Verfasser unglaublich spannender Geschichten, die jeden auch noch so selbstbewussten Autor bezüglich seines Könnens auf den Boden der Tatsachen zurückholen. In einem nahezu ausverkauften „Dark Flower“ nach Axel Hildebrandt zu lesen, ist insofern ein fragwürdiges Vergnügen, als dass er die Messlatte der Unterhaltung naturgemäß bereits ziemlich hoch anlegt. Nervös durchstöberte ich meine Traumschrott-Geschichten bis fast zur letzten Minute vor meinem Auftritt mit der Frage, welche ich denn lesen sollte. Fast schon mit dem Mute der Verzweiflung beschloss ich, meine uralte Psychiatrie-Geschichte „Der Ausflug“ zu lesen. Sie war zwar viel zu lang für meine Lesezeit, aber ich dachte mir, ich schaue einfach, wie weit ich komme. Und dann geschah es. Ich begann die ersten Zeilen zu lesen und spürte eine Spannung und eine Stille, wie ich sie selten bei meinen Lesungen erlebt hatte. Nach den 20 Minuten gab es mehr als höflichen Applaus und Gespräche mit Zuhörern danach zeigten mir, dass ich ihr Interesse geweckt hatte. Dieses Gefühl beseelte mich auch Tage später noch, als ich Holger anrief und ihm sagte, dass ich mein Manuskript über die Psychiatrie, das mir seit fast 20 Jahren im Kopf herumgeht, in keinem anderen als in seinem Verlag veröffentlichen möchte. Und zum Glück stimmte er zu. Wir vereinbarten die Veröffentlichung zur Buchmesse 2019 und ich machte mich an die letzte Überarbeitung des Manuskripts.

 

Alles, was danach noch geschah, würde zu viel über den Inhalt der Geschichte vorwegnehmen, aber ich kann sagen, dass ich nach weiteren Monaten intensiver Arbeit nun genau das Buch geschrieben habe, das ich immer schreiben wollte. Es ist das, was ich erlebt habe, eingebettet in eine Geschichte, die eben genau jene Erfahrungen und jene unausprechlichen Gefühle transportiert, wie es Wissenschaft oder Sachbuch niemals könnten. Und wenn ich nun in wenigen Tagen nach Leipzig fahre und mit meiner ersten Lesung auf der Buchmesse und später in Noels Ballroom dieses Buch vorstelle, so schließt sich für mich ein „Full Circle“, um einmal den grandiosen Film von Andy Brings zu zitieren: Ich öffne endlich die Pforten zu Heaven 11 …