Lieschen liest Heaven 11

Darf ich vorstellen? Luisa, genannt Lieschen, eine Hündin mit einer eigenen Rezensionsseite auf Facebook namens Lieschens Reziecke. Manchmal liest ihr Frauchen Eva auch mit und dann diskutieren die beiden fleißig ihre Ansichten zum Buch. Heaven 11 lag nun bei ihnen auf der Couch und ich freue mich, dass nun auch die Rezension online ist. Danke Eva und besonders Lieschen. :-)

 

Als "Heaven 11" bei mir ankam, ein absolutes Wunschbuch, an das ich so einige Erwartungen hatte, habe ich mich total gefreut.

Das Cover kommt irgendwie "leise" daher, schlicht, mit sich deutlich rot abhebender Schrift...Der Titel ist kurz und prägnant, verrät aber noch nichts.

Ein Buch über das Leben auf einer psychiatrischen Station, das ich fast als "Reality" bezeichnen würde, da der Autor selber Jahre auf Station 11 einer Psychiatrie gearbeitet hat- das klingt für mich gut.

Wir begleiten im Buch Marc Vossberg, einen Banker, der durch ein Burnout seinen Job verloren hat und nun vom Arbeitsamt zu einer Stelle als Aushilfe auf der geschlossenen Psychatrie geschickt wurde.
Zunächst ist es sein Ziel, dort so schnell wie möglich weg zu kommen, was aber nur mit einer "Gesundschreibung" funktioniert.... Und dies stellt ihn vor ein Problem. Zudem verheimlicht Marc, dass er seit Langem nachts ein Kratzen und Klopfen an der Zimmertür hört.....

Der Plot beginnt langsam, mit Einblicken in das Leben auf einer Station, die für die Patienten "Endstation" ist, die Stelle, wo sie landen, wenn eine Aussicht auf Entlassung eigentlich ausgeschlossen ist.
Die Beschreibungen der Situation auf Station, humorvoll, respektvoll, aber auch zum Nachdenken anregend..... Ich konnte mich super einfühlen, da ich selber während meines Studiums zwei Jahre in der Psychiatrie gearbeitet habe, als Springerin. Selbst mehr als 10 Jahre später ist es für mich noch immer die Zeit, in der ich am Allermeisten gelernt habe und für die ich unfassbar dankbar bin.

Das ist im Buch hier nicht anders.
Primär stupide wirkende Abläufe, Dialoge, beispielsweise das andauernde Fragen nach Zigaretten an der Dienstzimmertür, sehr skurrile Alltagssituationen in dieser "anderen Welt" (ist sie wirklich anders?) .... All das versetzte mich zurück in "meine" Zeit, in der die Arbeit irgendwie nahezu identisch ablief.

Christian Krumm schafft es jedoch, langsam, leise und geschickt tiefer zu gehen, den Leser in eine Welt und die Seiten der modernen Gesellschaft zu führen, in der man sich irgendwann fragt.... Wer ist heute "normal"? Wer ist "gesund"? Gibt es diese Differenzen überhaupt oder können wir nicht alle in so eine Situation geraten? Und wo finden wir wahre Ehrlichkeit? Im Bankermilieu, in feinen Restaurants, oder..... Doch eher woanders?

Der Charakter Marc Voßberg hat mir unfassbar gut gefallen, stellt er sich doch zunächst gezwungen einer Situation, landet dann jedoch am Ende vollkommen bei sich selbst.

Das Buch schildert also nicht nur oberflächlich das Leben in einer Psychiatrie, sondern trifft den Kern eines jeden, der bereit ist, über den Tellerrand hinaus zu schauen und in sich zu gehen.
Was ist wirklich wichtig im Leben und wer ist es, der das verstanden hat?
Ich habe lange überlegt, welches Zitat ich in meine Rezi einbauen möchte, und mich am Ende für folgendes entschieden:

"Meine Pfefferminze ist wieder um mindestens einen Milimeter gewachsen, zumindest bilde ich mir das ein. Sie werde ich mitnehmen, egal wohin ich gehe. Ich weiß nicht, ob es lächerlich ist, so etwas wie Liebe für eine Pflanze zu empfinden. Sicherlich hätte ich früher Menschen für einfältig gehalten, aber ich selber kann dagegen nichts tun. Ich will meiner Pflanze dieses Gefühl der Zuneigung nicht entziehen, nur weil ich mich dafür schäme. Sie kann nichts dafür. Ich habe sie in die Welt gesetzt, ohne mich hat sie niemanden. Sie soll ohne diese ganzen Zweifel und Qualen wachsen, denen ich in meinem Leben ausgesetzt bin. Ich glaube, an ihrem Stängel bildet sich schon ein kleiner Knubbel, vielleicht wird es ein Zweig. Sie lässt ihn wachsen, einfach so. Es ist ein Wunder. Sie gehört mir und ich gehöre ihr, wahrscheinlich bin ich in meinem Leben niemals näher an das Gefühl gekommen, das gemeinhin als Liebe beschrieben wird. Ja, das könnte dieses Gefühl sein. Die Vorstellung, dass ich sie, wo immer ich landen werde, bei mir haben werde, für den Rest meines Lebens, sie wird bei mir sein. Dann bin ich eben der Verrückte mit der Pflanze. Aber das bin ich hundertmal lieber, als ohne sie zu sein. Sie ist mein Halt, meine Konstante, mit ihr werde ich niemals einsam sein" (S. 292/293)

Das sagt eigentlich alles aus. Das Buch ist komplex, die Kapitel relativ lang, die Dialoge und Beschreibungen sind lebendig, nah und intensiv. Die Sprache ist leicht, alltäglich und doch mit einem Ausdruck versehen, den ich selten so nah und packend erlebt habe.

Dennoch ist die Botschaft dahinter ganz simpel.
Meine Empfehlung : lest dieses Buch, wenn ihr "tiefer" gehen wollt.

 

Ich vergebe 5 von 5 Sternen und sende nochmal ein dickes Danke an den Autoren für dieses Rezensionsexemplar. Dies hat meine Meinung zum Buch in keinster Weise beeinflusst.

 

 

(veröffentlicht: 25.7.2020)

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