NOFX - Ribbed (1991)

Quelle: www.discdogs.com
Quelle: www.discdogs.com

1. Green Corn

2. The Moron Brothers

3. Showerdays

4. Food, Sex, Ewe

5. Just the Flu

6. El Lay

7. New Boobs

8. Cheese

9. Where's my slice

10. Together on the sand

11. Brain Constipation

12. Gonoherpasyphlaids

13. I don't want you around

14. The Malachi Crunch

 

Mitte der 90er kam ich, ach was sage ich, kam kaum jemand in meiner Umgebung an NOFX vorbei. Fat Mike, El Hefe und der Rest der Chaotentruppe traten regelmäßig auf dem Kölner Bizarre-Festival auf, das zur damals noch dort stattfindenden PopCom die Alternative-Enthusiasten mit Stoff versorgte. Mein Eindruck war immer, dass ihre EP “The longest line” zuerst nachhaltige Verbreitung fand, wonach die Alben “White thrash, two heebs and a been” und “Punk in drublic” für einen echten Durchbruch hierzulande sorgten. Lieder wie “Kill all the white man” oder “Bob” waren absouter Standart auf jeder Party und überhaupt die Amis ein wunderbarer Ausgleich zum tränentreibenden Politpunk à la “Die Toten Hosen”, “Slime” oder “Hass”, dem sich selbst großartige Gegenbeispiele wie “Die Ärzte” oder “Wizo” nicht entziehen konnten. NOFX machten alles anders. Party und Punk waren als Themen zwar nicht unbekannt, aber die Ernst- und Spaßthemen, stets gewürzt mit einer Prise Anarchie, hat keine Band so schön auf den Punkt gebracht wie sie.

 

Obwohl ich ein großer Freund der Formation mit dem Gitarren- und Trompetenurvieh El Hefe bin, bleibt mein Lieblingsalbum doch das letzte ohne ihn. Ich kann sogar sagen, dass “Ribbed” für mich eines besten Punk-Album der 90er ist. Es mag wohl daran liegen, dass es im Vergleich zu den späteren noch diese Spur mehr Zerstörungswut in sich trägt, die die Band später zu Gunsten einer lässigen “Coolness” zurückfuhr. Doch dieses Chaos enthält bereits im Unterschied zu ihren ganz frühen Werken diesen Melodiengenius, der fast jeden Song eingängig und mitreissend macht.  

 

Was den wahren, unübertroffenen Reiz des Albums allerdings ausmacht, ist das Gefühl, man würde die Band ganz genau kennen, nachdem man es einmal durchgehört hat. Es sind nicht die Punks, die einem, wo man geht und steht, ihr Weltbild aufdrücken. Vielmehr fühlt man sich, als würde man ein paar Wochen in ihrer WG wohnen, erfahren, wie sie leben, worüber sie lachen, spotten und was sie bewegt.

 

Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit bei der Besprechung von Alben, gehe ich hier einmal nicht nach der Chronologie des Albums vor, sondern nach der Logik der Themen. Was macht den Alltag in unserer NOFX-WG aus? Sie sind zuvorderst die asozialen Idiotenbrüder. Das stellen sie mit „The Moron Brothers“, DEM Live-Klassiker dieser Platte, erst einmal klar. Liegt aber nicht unbedingt an ihrem Intellekt, sondern ist in der Beschaffenheit ihrer Umgebung begründet. Die Existenz ergibt so wenig Sinn, dass sich nicht einmal das Duschen lohnt, weshalb sie es hassen („Shower Days“). Die Entfremdung des Gehirns von der Welt („Brain Constipation“) ist da nur eine logische Konsequenz.

 

Auch kommt man in dieser WG mit dem weiblichen Geschlecht in Kontakt, doch das birgt natürlich zuvorderst Probleme. Entweder Frauen hassen alles, was der gewöhnliche Mann liebt („Green Corn“), sie belästigen einen fortwährend („I don’t want you around“) oder man sitzt wegen ihnen im Wartezimmer der Klinik für Geschlechtskrankheiten („Gonoherpasyphlaids“). Aber es gibt auch die ehrliche offene Zuneigung, wenn der Mann, während er an seine Lieblingsbeschäftigungen Essen, Sex und Musik, auch gleichzeitig an seine Liebste denkt („Food, Sex, Ewe“). Und Sex am Strand ist ohnehin sehr romantisch („Together on the sand“).

 

Ein drittes Thema, aber für eine Punk Band erfrischend selten, ist natürlich Politik. Gerade einmal zwei Lieder („Just the Flu“, „Nowhere“) kritisieren das, was im Lande so im Allgemeinen vor sich geht. Da spottet man doch schon lieber über Kalifornien, speziell über Los Angeles („El Lay“) und über künstliche Titten („New Boobs“). Gerade bei letzterem Lied klingen schon so ein wenig die Vorlieben der Band für weitere Musikstile an. Echt ein witziger Moment. Wenn man sich dann den fulminanten Rausschmeißer des Albums („The Malachi Crunch“) anhört, mit Mega-Gitarrenriff, atemberaubender Geschwindigkeit und einem Text über Gewalt, der wirklich unter die Haut geht, kann man eigentlich gar nicht anders, als sich diese knappe halbe Stunde Musik direkt noch einmal zu geben.

 

Aber zu guter Letzt eines der für mich genialsten Lieder der Band und einer der außergewöhnlichsten Punk-Songs überhaupt: Cheese/Where’s my slice. Man muss sich diesen Text wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Denn er rechnet mit all jenen Menschen ab, die den ganzen Tag darüber reden, dass die Welt ungerecht ist und ihnen etwas schuldet, die aber selbst überhaupt nichts tun, außer auf ihrem Hintern zu sitzen und sinnlose Theorien zu verbreiten. Wer noch niemals so einen Menschen getroffen hat, der darf gerne aufhören zu lesen. Denn ich frage mich: Wo ist eigentlich der deutsche Punk-Song der so offen im eigenen Vorgarten pflügt, wie dieser hier? Für mich genial und der Grund, warum ich in NOFX trotz Differenzen auf ewig „Moron Brothers“ im Geiste sehe.

 

“Ribbed” ist für mich das Punk-Manifest schlechthin, textlich wie musikalisch. Das unterscheidet das Album von seinen beiden, ebenfalls mit Ohrwürmern nur so gespickten Nachfolgern. Ich habe das Gefühl, diese Zeit mit den Chaoten mit erlebt zu haben oder zumindest habe ich dasselbe erlebt wie sie. So ein Identifikationspotential wünsche ich mir häufiger, nicht zuletzt für meine eigenen Geschichten. (gepostet: 22.2.2018)