Anna (Filmstart: 18.7.2019)

Quelle: www. filmstarts.de
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Mit „Leon der Profi“ und „Das 5. Element“ hat Luc Besson in den 90ern seiner Karriere und dem gesamten europäischen Filmschaffen einen Raketenschub gegeben. Seitdem steht sein Name sowohl für harte und intelligente Thriller als auch für opulente, zuweilen reichlich groteske Fantasy-Filme. Sein letzter Film „Valerian – Stadt der 1000 Planeten“ war ein visuelles Grand Dinner, das man unbedingt im Kino genießen musste. Nun haut er mit „Anna“ mal wieder in die harte Kerbe. Im Trailer wurde eine fast komplette Kampfszene gezeigt, in der sich eine russische Agentin den Weg durch etliche Widersacher freikämpft und freischießt. Das ließ für mich sofort zwei Assoziationen zu: Mit dem durchaus guten Agententhriller „Atomic Blonde“ mit Charlize Theron von 2017 und dem wirklich unseligen Film Red Sparrow von 2018, in dem nicht einmal Jennifer Lawrence die magere Story aufwerten konnte. Der Trailer zu „Anna“ ließ viel versprechen, also ließ ich mich auch nicht lange bitten und ging direkt am Freitag nach der Veröffentlichung rein.

 

Erzählt wird, wenig überraschend, die Geschichte der KGB-Agentin Anna (Sasha Luss). Sie verfügt über außergewöhnliche intellektuelle und physische Talente und muss dennoch innerhalb des russischen Geheimdienstes stets um Anerkennung kämpfen. Der Film ist, obwohl es viele Zusammenhänge gibt, fast ein Episodenfilm, in dem unterschiedliche Stationen ihrer Karriere in nicht immer chronologischer Reihenfolge erzählt werden. Stets wird eine Episode bis zu einem gewissen Punkt erzählt, dann folgt die Schilderung, wie es dazu kam. Das klingt erst einmal kompliziert, ist aber durchaus geschickt gemacht und lässt wenig Langeweile aufkommen. Inhaltlich will ich nicht viel mehr sagen, als dass es grundsätzlich um Annas Kampf um die Freiheit von den Diensten geht. Ihr Kollege Alex (Luke Evans), ihre Chefin Olga (Helen Mirren) und der CIA-Agent Lenny (Cillian Murphy) sind die weiteren Protagonisten und spielen alle Rollen, die hier zu erläutern zu viel verraten würde. Nur so viel: Anna muss sich durch eine Vielzahl von Widrigkeiten des Agentenlebens schlagen und kann sich dennoch nie so hundertprozentig auf jemanden verlassen. Das wirft natürlich immer die Frage auf, inwieweit sie ebenfalls, neben den ganzen Spionagen und Auftragsmorden, ihr eigenes Spiel spielt.

 

Allgemein kann ich sagen: Für mich übertrifft „Anna“ beide der oben genannten Filme in ihren Paradedisziplinen. Natürlich nutzt die kühle Blonde auch ihren Körper als Mittel, um ihre Ziele zu erreichen, ähnlich wie es in „Red Sparrow“ Thema ist. Auch ist die Lage, wer Freund ist und wer Feind, oft ähnlich undurchsichtig wie in „Atomic Blonde“ und mehr als einmal gibt es Überraschungen. Aber „Anna“ schlägt diese Filme beide in ihren jeweiligen Paradedisziplinen. Das liegt besonders an der darstellerischen Leistung von Sasha Luss, aber auch an der Art, wie ihre Rolle in Szene gesetzt wird. Denn Annas Tragik besteht nicht im Missbrauch ihres Körpers und ihre Stärke nicht einfach in ihrer Durchsetzungsfähigkeit. Es kommt nicht eine Sekunde Zweifel auf, dass ihr einziges Ziel ein Leben abseits der Mauern der Geheimdienste ist. Ihre Sehnsucht ist jederzeit spürbar und das macht sie sowohl fragil und zerbrechlich, als auch sehr stark. Die Erzählstruktur des Films als Quasi-Episodenfilm tut ihr Übriges, um dem Zuschauer durch sehr gut dosierte Informationen immer tiefer in ihre Welt zu führen. Der Film ist nicht frei von Klischees aus Agenten- und Gangsterfilmen, aber sie sind die Zulieferanten für die Unterhaltung, die Faszination geht von der Geschichte und ihren Figuren aus. Als Zuschauer gewöhnt man sich mit der Zeit an die Art der Twists, so dass das Ende manchen gar ein wenig vorhersehbar erscheinen mag, aber das ändert nichts daran, dass die zwei Stunden wie im Flug vergehen.

 

Luc Besson, der für Drehbuch, Produktion und Regie verantwortlich ist, ist ein Film gelungen, der sich zumindest innerhalb seines Genres vor keinem Konkurrenten verstecken braucht. Man geht nicht völlig geflasht aus dem Saal, wie es Zuschauern von „Das 5. Element“ gegangen sein mag. Aber der Film ist angefüllt mit Action, Twists, auch Witz kommt nicht zu kurz, und so werden sich so manche Hollywood-Produzenten fragen müssen, warum dieser Europäer ihnen in einer ihrer Paradedisziplinen derzeit den Rang abgelaufen hat. (gepostet: 21.7.2019)